Donnerstag, 24. April 2014

Namasté

Das magische Tor.

Nur noch ein paar Meter. Nur noch ein paar Schritte und ich erreiche endlich das was die ganze ganze Zeit vor mir lag. Es ist greifbar. Das Land der tausend Farben und der aber tausend Götter. Vor mir baut sich ein gewaltiger, verzierter Torbogen auf. Die magische Schwelle zum versprochenem Wunderland. In einem kleinen Büro, direkt neben dem Torbogen, wird noch kurz der Austrittsstempel Nepals in den Pass gedrückt und schon durchschreite ich den Durchgang. Es folgen Reizüberflutung, Erstaunen und eine etwas zeitverzögert eintretende Verwirrtheit. Es folgt Indien.

Mit dem durchschreiten des Torbogen schreite ich hinein in eine neue Welt. Sie ist überfüllt und laut. Innerhalb eines Meters multipliziert sich die Dichte der Masse durch die ich mich nun äußerst mühsam fortbewege. Auf der nepalesischen Seite des Torbogen befand sich noch ein großzügiger angelegter Platz, hier ist es eine enge Straße die von kleinen, aus Brettern und Tüchern zusammen gezimmerten, Läden begrenzt wird. Das Tor wirkt wie eine geöffnete Schleuse durch die sich ein stetiger Strom aus Menschen ins Land ergießt. Die neue Welt ist überfüllt mit bunten Saris, bunten Turbanen und zwischendurch auffällig bunten Bärten. Schnauzbärte und Vollbärte die mit Henna-farben, im Farbspektrum irgendwo zwischen orange und rot, koloriert wurden. Die Menschen tragen große Säcke und Kisten mit allerlei Gütern auf den Schultern, oder ziehen große Karren per Hand über die verdreckten Straßen. Aus den Radios der Läden dröhnt blechern die aus Bollywoodfilmen bekannte indische Musik. Dass ich mir Indien eigentlich genau so vorgestellt habe wird zu einem Problem.

Kann man auf Indien vorbereitet sein? Ich dachte ich wäre es, habe ich doch Berge überquert, Wüsten-, sowie Steppenlandschaften durchquert , mich über tausende Kilometer hinweg, quer durch Asien und durch verschiedene Kulturkreise, zu exakt diesem Punkt vorgearbeitet. Man könnte denken ich sollte schon fast alles einmal gesehen haben. Ich tue genau dies in diesem Moment, registriere zwar was um mich herum passiert, mache mir aber darüber keine Gedanken. Es gibt schließlich wichtigeres zu erledigen. Ich bin im Reisemodus. Es ist nur weiterer Grenzübergang. Es gilt ein Transportmittel zu finden welches mich möglichst schnell weiterbringt. Mein Tagesziel ist das selbige was es auch an so vielen anderen Tagen ist: Meinen Rucksack neben einem Bett in einer noch zu findenden günstigen Basis am vorher festgelegten Zielort abzustellen. Der Rest ist einfach nur wie die veränderte Umgebung eines neuen Levels in einem Computerspiel. In diesem Fall wird es halt „Indien Lvl-1 – Grenzübergang“ genannt. Ziemlich linear aufgebaut. Was auch immer. Wo zur Hölle ist der Endgegner? Darüber nachdenken welche Mühe sich die Programmierer bei der Gestaltung des Levels gemacht haben kann ich auch später noch.

Später wird in diesem Fall zu einer ganz neuen Dimension. Es wird Monate dauern bis ich das erlebte verarbeitet habe und in der Lage bin darüber zu schreiben. Immer wieder fange ich damit an, immer wieder gebe ich auf. Alles was ich schreibe klingt in keinster Weise so wie ich es erlebt habe. Zumindest nicht so wie ich davon erzählen will. Ich finde keine Struktur mehr um Geschichten aufzubauen und gleichzeitig blockiert mich dieser Umstand ebenso über etwas anderes zu schreiben. Dabei sind es Geschichten die aufgrund ihrer Absurdität einfach zu erzählen sein sollten.

Wo sonst sitzt man in einem Café bei einer köstlichen Tasse italienischen Kaffees während ein Trupp bunt geschmückter Menschen unter großem Getöse einen Toten an dir vorüber tragen, mit dessen Leiche sie kurz darauf am Ganges ein Lagerfeuer entzünden? In keinem anderen Land meiner Reise wurden wohl derart viele Bilder von mir auf mir nicht bekannten Facebook Profilen hochgeladen, mit der Überschrift „Mein neuer Freund aus Europa“. Europäer sind in Indien Superstars. James Bond und die Hippies der 60 und 70er Jahre haben der indischen Bevölkerung ein wohl nicht ganz glaubhaftes Bild der westlichen Gesellschaft vorgezeichnet, doch es liegt nun an der heutigen Backpacker Generation dies den unentwegt neugierigen Indern gefälligst auch zu bestätigen. Man ist noch immer eine Attraktion, und es beginnt hier an der Grenze. Während ich mir schon Auskünfte über den weiteren Transport erfrage, überfällt ich ein Gefühl das etwas nicht stimmt. Zuerst komme ich nicht darauf doch als ich einen Mann in Uniform sehe der sich durch die Masse in meine Richtung vorankämpft wird es mir bewusst. Zu einem Grenzübergang gehören zwei Seiten, nicht nur eine. In meinem Reisepass befindet sich noch kein Stempel für die Einreise in Indien. Ich befinde mich demnach noch immer im Niemandsland.

Der Grenzbeamte macht mich jedoch kurz darauf aufmerksam das dem nicht so ist. Ich bin am Check-in Schalter eines Landes vorbeigelaufen. Das ist mal etwas neues. Nach dem bereits in Nepal obligatorischem Namaste zur Begrüßung folge ich dem Beamten und wir kommen zu einem unscheinbaren Eingang eines 10 qm Büros irgendwo, unscheinbar inmitten all der Läden. Mein Visa wird kurz inspiziert und von einem freundlichen älteren Herrn mit monströsen rot-gefärbten Bart mit einem Stempel versehen. Kurz darauf folge ich wieder dem Strom und wundere mich kurz über den Programmierfehler der scheinbar den Neustart des Levels verursacht hatte. Kann ja mal vorkommen. 

 

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