Das magische Tor.
Nur
noch ein paar Meter. Nur noch ein paar Schritte und ich erreiche
endlich das was die ganze ganze Zeit vor mir lag. Es ist greifbar.
Das Land der tausend Farben und der aber tausend Götter. Vor mir
baut sich ein gewaltiger, verzierter Torbogen auf. Die magische
Schwelle zum versprochenem Wunderland. In einem kleinen Büro, direkt neben dem Torbogen, wird
noch kurz der Austrittsstempel Nepals in den Pass gedrückt und schon
durchschreite ich den Durchgang. Es folgen Reizüberflutung,
Erstaunen und eine etwas zeitverzögert eintretende Verwirrtheit.
Es folgt Indien.
Mit
dem durchschreiten des Torbogen schreite ich hinein in eine neue
Welt. Sie ist überfüllt und laut. Innerhalb eines Meters
multipliziert sich die Dichte der Masse durch die ich mich nun
äußerst mühsam fortbewege. Auf der nepalesischen Seite des
Torbogen befand sich noch ein großzügiger angelegter Platz, hier
ist es eine enge Straße die von kleinen, aus Brettern und Tüchern
zusammen gezimmerten, Läden begrenzt wird. Das Tor wirkt wie eine
geöffnete Schleuse durch die sich ein stetiger Strom aus Menschen ins Land
ergießt. Die neue Welt ist überfüllt mit bunten Saris, bunten
Turbanen und zwischendurch auffällig bunten Bärten. Schnauzbärte
und Vollbärte die mit Henna-farben, im Farbspektrum irgendwo
zwischen orange und rot, koloriert wurden. Die Menschen tragen große
Säcke und Kisten mit allerlei Gütern auf den Schultern, oder ziehen
große Karren per Hand über die verdreckten Straßen. Aus den Radios
der Läden dröhnt blechern die aus Bollywoodfilmen bekannte indische
Musik. Dass ich mir Indien eigentlich genau so vorgestellt habe wird
zu einem Problem.
Kann
man auf Indien vorbereitet sein? Ich dachte ich wäre es, habe ich
doch Berge überquert, Wüsten-, sowie Steppenlandschaften durchquert
, mich über tausende Kilometer hinweg, quer durch Asien und durch
verschiedene Kulturkreise, zu exakt diesem Punkt vorgearbeitet. Man
könnte denken ich sollte schon fast alles einmal gesehen haben. Ich
tue genau dies in diesem Moment, registriere zwar was um mich herum
passiert, mache mir aber darüber keine Gedanken. Es gibt schließlich
wichtigeres zu erledigen. Ich bin im Reisemodus. Es ist nur weiterer
Grenzübergang. Es gilt ein Transportmittel zu finden welches mich
möglichst schnell weiterbringt. Mein Tagesziel ist das selbige was
es auch an so vielen anderen Tagen ist: Meinen Rucksack neben einem
Bett in einer noch zu findenden günstigen Basis am vorher
festgelegten Zielort abzustellen. Der Rest ist einfach nur wie die
veränderte Umgebung eines neuen Levels in einem Computerspiel. In
diesem Fall wird es halt „Indien Lvl-1 – Grenzübergang“
genannt. Ziemlich linear aufgebaut. Was auch immer. Wo zur Hölle ist
der Endgegner? Darüber nachdenken welche Mühe sich die
Programmierer bei der Gestaltung des Levels gemacht haben kann ich
auch später noch.
Später
wird in diesem Fall zu einer ganz neuen Dimension. Es wird Monate
dauern bis ich das erlebte verarbeitet habe und in der Lage bin
darüber zu schreiben. Immer wieder fange ich damit an, immer wieder
gebe ich auf. Alles was ich schreibe klingt in keinster Weise so wie
ich es erlebt habe. Zumindest nicht so wie ich davon erzählen will.
Ich finde keine Struktur mehr um Geschichten aufzubauen und
gleichzeitig blockiert mich dieser Umstand ebenso über etwas anderes
zu schreiben. Dabei sind es Geschichten die aufgrund ihrer Absurdität
einfach zu erzählen sein sollten.
Wo
sonst sitzt man in einem Café bei einer köstlichen Tasse
italienischen Kaffees während ein Trupp bunt geschmückter Menschen
unter großem Getöse einen Toten an dir vorüber tragen, mit dessen Leiche sie
kurz darauf am Ganges ein Lagerfeuer entzünden? In keinem anderen
Land meiner Reise wurden wohl derart viele Bilder von mir auf mir nicht
bekannten Facebook Profilen hochgeladen, mit der
Überschrift „Mein neuer Freund aus Europa“. Europäer sind in Indien
Superstars. James Bond und die Hippies der 60 und 70er Jahre haben
der indischen Bevölkerung ein wohl nicht ganz glaubhaftes Bild der
westlichen Gesellschaft vorgezeichnet, doch es liegt nun an der
heutigen Backpacker Generation dies den unentwegt neugierigen Indern
gefälligst auch zu bestätigen. Man ist noch immer eine Attraktion, und es beginnt
hier an der Grenze. Während ich mir schon Auskünfte über den
weiteren Transport erfrage, überfällt ich ein Gefühl das etwas
nicht stimmt. Zuerst komme ich nicht darauf doch als ich einen Mann
in Uniform sehe der sich durch die Masse in meine Richtung vorankämpft wird es mir
bewusst. Zu einem Grenzübergang gehören zwei Seiten, nicht nur
eine. In meinem Reisepass befindet sich noch kein Stempel für die
Einreise in Indien. Ich befinde mich demnach noch immer im
Niemandsland.
Der
Grenzbeamte macht mich jedoch kurz darauf aufmerksam das dem nicht so
ist. Ich bin am Check-in Schalter eines Landes vorbeigelaufen. Das
ist mal etwas neues. Nach dem bereits in Nepal obligatorischem
Namaste zur Begrüßung folge ich dem Beamten und wir kommen zu einem
unscheinbaren Eingang eines 10 qm Büros irgendwo, unscheinbar
inmitten all der Läden. Mein Visa wird kurz inspiziert und von einem
freundlichen älteren Herrn mit monströsen rot-gefärbten Bart mit
einem Stempel versehen. Kurz darauf folge ich wieder dem Strom und
wundere mich kurz über den Programmierfehler der scheinbar den
Neustart des Levels verursacht hatte. Kann ja mal vorkommen.
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