Entlang der
Seidenstraße.
Buchara,
Samarkand, Khiva. Städtenamen bei denen man zugleich den Orient
denkt. An Geschichten aus 1001 Nacht. An Oasen inmitten von Wüsten
und an Kamelkarawanen, die auf den sandigen Handelswegen zwischen
diesen Städten verkehren. Nun liegt das beschriebene doch einige
Zeit zurück, doch vieles vergangene ist auf diesem Herzstück der
Seidenstraße noch immer erkennbar. Zwischen den Städten ist die
Natur wohl noch immer die gleiche und feilschende Händler sind
überall. Doch eines vermisse ich schmerzlichst: Die Kamele.
Wo es früher
noch einen Tage langen manchmal Wochen langen, schaukelnden,
unbequemen Ritt auf diesen Tieren bedurfte, durchschneiden heute
Gleise und asphaltierte Straßen die Steppen und Wüsten. Die
Modernisierungen der Sowjetära haben vor nichts Halt gemacht und
daher reist es sich ungleich angenehmer als in vergangenen Zeiten.
Startpunkt Taschkent. Knappe 5 Stunden in einem alten russischen Zug
und man steht auf einem Platz der wie kein anderer die Hochzeit der
Seidenstraße verkörpert. Der Registan in Samarkand. Dieser Platz
ist eines der wohl beeindruckendsten Bauwerke Zentral Asiens. Drei
majestätische, reich verzierte Medressen umschließen einen
großzügigen, rechteckig, angelegten Platz. Schon lange vor meiner
Reise habe ich immer wieder über Bilder dieses Platzes gestaunt,
doch diese geben, obwohl restauriert, nur ansatzweise die über 500
Jahre alte Bauwerkskunst wieder. Nur eines muss man den Erbauern zur
Last legen: Auf der sogenannten „Löwen Medresse“ sind
skurillerweise Tiere abgebildet die vielleicht Löwen darstellen
sollen, aber dennoch eindeutig Tiger sind.
Ansonsten ist
Samarkand für mich eher enttäuschend. Der Registan mag
überwältigend sein und neben diesem gibt es in Samarkand noch die
40 Meter hohe Bibi-Khanym Moschee, und die Straße der Mausoleen.
Alles schön und gut, doch diese umzäunten Bauwerke sind mehr oder
weniger alles was vom alten Samarkand noch übrig ist. Der Rest der
Stadt ist eine alte Sowjet-Stadt wie jede andere. Mit dem Unterschied
dass sie Geschichte beinhaltet. Auch wenn diese manchmal nicht allzu
genau genommen wird. Im abseits gelegenen Astrologie Museum lerne ich
dass der erste Mensch auf dem Mond Edvin „Buzz“ Oldrin war und
nicht, wie der Großteil der Menschheit zu wissen gedenkt, Neil
Armstrong. Oldrin besuchte einst Usbekistan und unterstützte ein den
Sternen gewidmetes Projekt. Ein kleiner Schritt für Oldrin, ein
großer Schritt für seine Erwähnung in der Geschichtsschreibung.
Zumindest in Usbekistan.
Zurück zur
Stadt. Horden von Touristengruppen im Pensionsalter wandern zwischen
Registan und Bibi-Khanym Moschee auf der, extra für Touristen
angelegten, neumodischen Verbindungsallee. Dabei übersehen die
meisten den einzigen Teil Samarkands der den Flair dieser Stadt etwas
retten könnte. Das alte jüdische Viertel. Obwohl nur noch wenige
jüdische Familien übrig sind und dort heute meist Muslime wohnen,
versprüht dieser heruntergekommene Stadtteil mehr Charme als das
restliche Samarkand zusammen. Hier lebt Samarkand und gleicht nicht
einem Freizeitpark für westliche Touristen. Dass sich meine Meinung
wohl etwas von der Meinung des usbekischen Tourismusministerium
unterscheidet merke ich daran, dass das Viertel hinter der Fassade
der Verbindungsallee verborgen wird. Nur eine einzige unscheinbare
Stahltür verbindet diese zwei, komplett verschieden, wirkenden
Welten.
Mit dem Zug geht
es weiter Richtung Buchara, nur wenige Stunden entfernt. Während der
Fahrt durch die Wüste halte ich immer wieder Ausschau ob ich nicht
doch, irgendwo am Horizont, ein wildes Kamel entdecke. Ich bleibe
erfolglos. In Buchara angekommen bin ich angenehm überrascht. Dort
ist die Symbiose zwischen alt und neu wesentlich besser als in
Samarkand gelungen. Diese Stadt ist langsam im Lauf der Geschichte
gewachsen. Neuere Häuser mischen sich mit alten Gebäuden, umso mehr
je weiter man sich vom Zentrum entfernt. Der Stadtkern selbst ist
restauriert, und doch noch immer so wie er seit Jahrhunderten ist.
Alte Gemäuer und im Herzen ein großer Teich an dem Einwohner und
Touristen in den kühleren Abendstunden, gleichermaßen entspannt
flanieren oder sich für eine Partie Backgammon treffen. Tagsüber
sind die Straßen leer, kein Wunder da sich die Temperaturen im
Sommer um die 40 Grad bewegen.
Noch immer habe
ich kein Kamel in Usbekistan gesehen. Eine letzte Hoffnung bleibt.
Das im westlichen Landesteil liegende Khiva. Die Fahrt dorthin ist
lang, doch auch angenehm, denn in den Sowjet Zügen besitzt ein jeder
Mitfahrende einen eigenen Schlafplatz mit zuvor ausgegebenen frischen
Bettbezügen, Kissen und Decken. Ich würde diese Züge jederzeit
gegen die schnelleren, moderneren deutschen Fernstreckenzüge
eintauschen. Am Zielort angekommen behauptet meine Mitreisende Polly,
während der Fahrt ein wildes Kamel gesehen zu haben. Etwas dürr und
nur mit einem Höcker ausgestattet, aber immerhin ein Kamel. Meine
Unzufriedenheit ändert sich dadurch jedoch nicht.
Khiva. Bis jetzt
bin ich im Zwiespalt was ich über diese Stadt denken soll. Es ist
die am besten erhaltende, historische Stadt Usbekistans. Die
komplette alte Stadt wird von einer hohen Mauer umschlossen.
Innerhalb dieser Mauer findet man kein einziges neu wirkendes
Gebäude. Mit Lehm verputze Wände lassen die gesamte Stadt in einem
einheitlichen Braunton erscheinen, nur durchbrochen von den
türkisblau gefliesten Minaretten und Kuppeln der Moscheen. Warum
also mein Zwiespalt? Einerseits kann man in Khiva sehen, besser als
in jeder anderen usbekischen Stadt, wie das Leben in einer Wüstenoase
vor Jahrhunderten ausgesehen haben mag. Anderseits wirkt es, obwohl
Menschen innerhalb der Mauern leben, wie für die Neuzeit
konserviert. Ein einziges großes Freilichtmuseum, mit Restaurants
und Ramschständen für Touristen. Abends, bis in die Nacht hinein
spiele ich Barfuß-Fußball mit 20 Kindern und Jugendlichen auf den
beleuchteten Vorhöfen der Moscheen. Keine Nachbarn vorhanden, die
sich über das chaotische laute Treiben beschweren könnten.
Und dann treffe
ich auf Katja, das einzige Kamel Khivas. Katja ist im Zentrum der
Stadt angebunden und ein jeder kennt diese Berühmtheit. Sie ist
sozusagen das stadteigene Maskottchen. Und das seit Anbeginn der
Zeit. Nur unter vorgehaltener Hand erzählen einem die Einwohner
Geschichten von ersetzten und zu Futter verarbeitenden Kamelen. Fragt
man in Khiva jemanden nach dem Weg wird die erste Gegenfrage stets
die gleiche sein: Weist du wo Katja steht? Wenn ja: von dort aus
geradeaus, dann rechts... Katja ist der Dreh- und Angelpunkt der
Stadt.
Nun gut, habe ich
also keine wilden Kamele gesehen, aber immerhin eine Berühmtheit.
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