Freitag, 29. Juni 2012

Endstation Absurdistan

Ein Kampf gegen Windmühlen.

Die Sache mit der Reiseroute. Karte betrachten, Punkte setzen und diese mit Linien verbinden. Es könnte so einfach sein. Will man vom Iran auf dem Landweg in die nördlichen Länder Zentralasien gelangen stehen einem dabei nicht allzu viele Möglichkeiten zur Verfügung. Genau genommen ganze zwei. Die erste wäre durch das, in dieser Region, nicht gerade als sicher geltende Afghanistan. Die zweite, wenn man die Landkarte betrachtet auch logischste Variante, ist der Weg durch Turkmenistan. Doch entscheidet man sich, wie wir, für diesen Weg kann es passieren dass man sich mit Problemen konfrontiert sieht die man so nicht vorhergesehen hat und manchmal auch nicht ganz begreifen kann.
 
In vielen Reiseführern wird das Land als das Nordkorea Zentralasiens bezeichnet. Ganz unrecht haben sie damit nicht denn gewisse Parallelen sind zu erkennen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion herrschte hier die starke Hand Saparmurat Niyazows. Er war es der 1991 die Zügel des Landes nach der Unabhängigkeit in die Hand genommen hatte. Kurz darauf hieß er nur noch Turkmenbashi – Führer der Turkmenen. Um ihn herum wurde ein Personenkult aufgebaut der sich vor seinen großen Vorbildern, in den Ländern der üblichen Verdächtigen, nicht verstecken muss. Heroische Standbilder seiner selbst an jeder Ecke einer Stadt. Sein Slogan: „Volk, Nation, Turkmenbashi“ mag manchen verdächtig bekannt vorkommen. In den Schulen gibt es bis heute ein Pflichtfach, in dem die Lehren eines von Niyazows verfasstem Buch unterrichtet werden. Zusammen mit der kompletten Abkapslung von der restlichen Welt der wohl beste Weg sich seine Gesellschaft gleichzuschalten. Nachdem der bis dahin als unsterblich geltende Niyazow 2006 gestorben war ging die oberste Machtpostion nahtlos, und ohne große Veränderung, an seinen ehemaligen Vize Gurbanguly Berdymukhamedov über. Doch das Land ist reich an Öl und Gasvorkommen und ist daher eine Diktatur von der im Westen, den guten Wirtschaftsverbindungen sei Dank, nicht allzu viel Notiz genommen wird. Aufgrund des Reichtums legt das Land auch keinen großen Wert auf neugierige Individualtouristen. Es hat sie schlicht und einfach nicht nötig.

Das Touristenvisum Turkmenistans ist daher für Otto Normal Verbraucher nahezu unbezahlbar, für jeden einzelnen Tag im Land muss man einen Führer Unsummen an Dollars bezahlen. Etwas einfacher ist dagegen ein 5 Tage Durchreisevisum mit dem man sich in eben jenen 5 Tagen relativ frei im Land bewegen darf. Rucksacktouristen die mit diesem Visum durchs Land reisten berichteten mir von menschenleeren Prachtstraßen und Plätzen, von protzigen Denkmälern und von Menschen die trotz des Reichtums des Landes in ärmlichen Verhältnissen leben. Dabei ist für die Einwohner Turkmenistans Benzin, Wasser und Strom kostenlos. Mit einem waren sie sich alle einig: Das Land ist skurril, aber kein einziger wollte nochmals in dieses Land zurück und würde es nicht empfehlen. Wer es gesehen hat redet sich jedoch leicht. Ich hätte dieses Land gerade wegen aller vorher beschriebenen Gründen nur zu gerne mit eigenen Augen gesehen, doch uns traf die, passend zum Land, noch absurdere willkürliche Bürokratie Turkmenistans.

Gemäß den im Internet beschrieben Prozess beantragten wir unser Durchreisevisum ca. 15 Tage vor dem gewünschten Einreisetermin über einen Helfer in der iranischen Grenzstadt Mashad. Alles kein Problem hieß es, in 10 Tagen könnt ihr nach Mashad kommen und euer Visa abholen. Als wir dann in Mashad in der Botschaft stehen ist es immer noch kein Problem. Das Visum ist geprüft, genehmigt und bereit zu Abholung. Das einzige Problem: Die dafür zuständige Regierungsabteilung änderte unseren ersten möglichen Einreisetag willkürlich auf den 1 Juni, drei Wochen später als geplant. Obwohl es in unseren vorliegenden Antragsbogen, auch nach nochmaliger Kontrolle, richtig angegeben ist. Wir erleutern dem gelangweiltem Beamten dass dieses Visum für uns Nutzlos ist da unsere Iranischen Visa auslaufen. Und zudem meine schon vorhandenen Visa für die folgenden Länder erheblich verkürzt würden. Der Beamte zuckt jedoch nur mit den Schultern und beteuert dass es nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen würde da dies eine Entscheidung der Turkmenischen Regierung sei.

So einfach wollen wir uns aber nicht geschlagen geben und starteten einen Anruf beim Turkmenischen Konsulat in Teheran. Der dortige Konsul scheint hilfsbereit angesichts unserer Situation. Er telefonierte lautstark mit der Turkmenischen Regierungsabteilung in Asgabat. Als er auf dieser Leitung auflegt, wendet er sich wieder an uns und teilte uns mit dass wir nochmals zur Botschaft in Mashad gehen sollen. Falls dann immer noch ein Problem besteht müssten wir ihm nur Bescheid geben. Hoffnungsvoll stehen wir also wieder vor dem Botschaftsbeamten. Dieser hat nun bereits mit dem Teheraner Konsul gesprochen und scheint, auf wundersame weise, plötzlich hilfsbereiter. Er lässt uns wissen das unsere Anträge in Ashgabat nochmals geprüft würden und wir am Nachmittag wiederkommen sollen.

Es ändert aber nicht viel, als wir wieder zurückkommen heißt es nur das der Antrag abgelehnt wurde und sowieso alle Anträge in dieser Zeit auf den auch uns gestatteten 1 Juni verlegt werden. Wir telefonieren also wieder mit dem hilfsbereiten Teheraner Konsul. Dieser teilt uns jedoch kleinlaut mit dass er nun ein Fax der turkmenischen Regierung erhalten hat, indem ihm bestimmt wurde keine Anträge mit einem Einreisedatum vor dem ersten Juni mehr anzunehmen und er uns somit nicht helfen kann. Das war es dann, wir müssen aufgeben. Keine Möglichkeit in Turkmenistan einzureisen. 3 Wochen warten ist keine Option. Ebenso wie der Umweg über Afghanistan da dies ebenso einen etwas langwierigen Visabeantragungsprozess in Teheran bedeutet und es sich halt doch um Afghanistan handelt. Alles was bleibt ist ein Kurzstreckenflug über Turkmenistan hinweg nach Taschkent.

Warum uns die Turkmenische Regierung den Bürokratieknüppel zwischen die Beine warf ist mir bis heute nicht klar. Eine mehr oder weniger logische Vermutung lieferte der notorisch gelangweilte Botschaftsbeamte. Möglicherweise hat jemand in Turkmenistan entschieden dass im Mai einfach schon zu viele Touristen durchs Land reisten. Und Bürokratie wird in Absurdistan nun mal hoch geschätzt. Ausnahmen unerwünscht. Das einzig Positive: der Flug kostete weniger als das Turkmenistan Visum und die dort veranschlagten Transportkosten.

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