Samstag, 14. April 2012

Mehr Schein als Sein

Batumi. Willkommen in Georgien. Oder auch nicht?

Meine letzten Meter in der Türkei laufe ich zu Fuß durch einen langen Gang an dessen Ende sich die Schalter für die Passkontrolle befinden. Der übliche Smalltalk und die Fragen, was ich den in Georgien wolle, verlaufen reibungslos und enden mit dem Stempel Georgiens und den Worten: „You are welcome“. Zwei mal, denn ich frage noch wie lange ich denn eigentlich im Land bleiben dürfe. Auf die Antwort, ein Jahr, erwidere ich grinsend, dass ich solange wohl nicht brauchen werde. Ohne eine Mine zu verziehen wiederholt die Grenzbeamtin aber nur ihren vorherigen Schlusssatz. Ich belasse es dabei und stehe kurz darauf in Georgien, wartend auf den Bus der mich nach Batumi bringen wird.

Dort angekommen stellt sich zunächst die Suche nach einer Unterkunft als schwieriger heraus als vermutet. Laut diversen Internetseiten sollte es drei Hostels geben. Doch eine Adresse nach der anderen streiche ich von meinem Zettel. Sie existieren einfach nicht. Mal ist an deren Stelle nun ein Restaurant, mal ein Supermarkt, oder es sind einfach Bretter vor den Fenstern. Die Stadt befindet sich im Wandel. Dass dies so schnell geschieht hatte ich dennoch nicht erwartet. Ebenso wie der Japaner, den ich bereits im Bus getroffen hatte und den ich nun fluchend bei der letzten der drei vermeintlichen Unterkünfte wiedertreffe. Er hatte diese zuvor bereits über Internet gebucht und angezahlt. Wir beschließen gemeinsam zu suchen und finden schließlich dann doch ein kleines Familienhotel, das bei geteiltem Zimmer einen akzeptablem Preis besitzt. Froh darüber unser Gepäck abgeladen zu haben, streifen wir anschließend, auf der Suche nach Essen, durch die Stadt und erhalten einen ersten Eindruck. Meiner ist kein guter.

Die Hafenstadt am schwarzen Meer ist eine Stadt der Gegensätze. Hier wird das Erdöl aus Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan raffiniert, auf große Tanker geladen und anschließend in alle Welt verschifft. Ausländische Investoren kamen in die Stadt und machten die Stadt zudem zum größten Tourismuszentrum in Georgien. Das hat die Stadt, aber eben nur einige wenige Menschen, innerhalb weniger Jahre reich gemacht. Man sieht dies an vielen Ecken. Auf der einen Seite eine 8 km lange, hölzerne, Uferpromenade mit teuren Restaurant, teuren 5-Sterne Hotels und überladen mit völlig nutzlosen Kunstbauten. Nachts schön anzusehen, wenn diese in verschiedensten Neon-Farben beleuchtet werden und zusammen mit den Musik gesteuerten Springbrunnen eine traumhaft schöne Kulisse, für die flanierenden neureichen Ukrainer und Russen. Doch all die großen neuen Gebäude wirken auf mich wie eine Fassade, denn auf der anderen Seite braucht man sich nur einige Meter von der Uferpromenade oder dem Zentrum zu entfernen und steht in einem Slum. Dort leben Menschen in baufälligen Wohnblockruinen aus der Soviet-Ära. Vom ganzen Aufschwung der Stadt haben diese nichts mitbekommen und so mischen sich diese Gegensätze zu einem absurdem Ganzen. An Ampeln warten teure glänzende Sportwagen hinter rauchenden, knatternden Viehtransportern mit kaputten Lichtern und fehlenden Stoßstangen, während Geschäftsmänner in Nadelstreifenanzügen versuchen sich ihren Weg über die Straße durch die Horden von bettelnden Kinder zu bahnen.

Die Georgier sind ein warmherziges und freundliches Volk. Ich weiß nicht wie oft ich Sätze wie diesen gehört habe als ich mich zuvor mit anderen Reisenden über diese Land und dessen Bewohner unterhalten habe. Auch in jedem Reiseführer ist dies eines der ersten Dinge die die Autoren von sich geben wenn Sie versuchen dem Leser einen ersten Eindruck zu verschaffen. In Batumi stellt sich mir jedoch die Frage, ob etwas denn wahr wird wenn man es nur oft genug hört, oder ließt, oder ob sie beim Verlassen des Landes alle einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind? Ich treffe hier auf die unfreundlichsten Menschen meiner bisherigen Reise. Jedes Gespräch wird schnellstmöglich beendet und nicht ein einziges mal fragt mich jemand woher ich denn komme. Es interessiert sie nicht. Verständigung ist zwar schwierig da so gut wie niemand Englisch spricht, doch normalerweise freuen sich die Gesprächspartner wenn ich es dann in Russisch versuche. Was wiederum 90% der Georgier sprechen. Mir kommt es vor als würde es mir zum Vorwurf gemacht dass ich nicht fließend russisch geschweige denn georgisch spreche. Als ich am ersten Abend im Bett liege vermisse ich die Türkei und frage mich ob dies wirklich Georgien ist. Das selbe Land von dem ich zuvor soviel gutes gehört habe. Ich kann es nicht glauben und treffe mit dem Entschluss die Stadt schnellstmöglich zu verlassen eine gute Entscheidung, denn auf allen folgenden Stationen werden mir die Georgier jeden schlechten Gedanken, den ich zu beginn hatte, eindrucksvoll aus dem Gedächtnis löschen. Und auch die Autoren der Reiseführer werden Recht behalten, nur haben sie Batumi scheinbar bei ihren Recherchen außer acht gelassen. Oder sie waren betrunken. Was wiederum vieles in ein anderes Licht rückt.
Dass ich anschließend dennoch noch zwei mal hierher zurück komme hat einen einfachen Grund. Gegenüber der Hauptstadt Tiblisi ist es hier viel einfacher, und billiger, Visa für die nächsten Länder zu organisieren.

Auch wenn es möglicherweise nur ein persönlicher Eindruck ist, die Situation in Batumi ist nachzuvollziehen. Wie soll man zufrieden und damit auch freundlich sein, wenn man realisiert dass in der eigenen Stadt mit dem Geld nur so um sich geworfen wird während der große Teil der Bevölkerung in ärmlichen Verhältnissen leben muss. Geld stinkt eben doch und verändert selbst die Menschen die keines haben.




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