Als ich sie zum
ersten mal sehe entlockt es mir einen tiefen Seufzer. Ca. 30
Zentimeter hoch und in einem etwas vergilbten Weißton. Das gurgelnde
Geräusch der Maschine ist Musik ist in meinen Ohren. In Kombination
mit dem Geruch fühle mich in die Küche meiner Großmutter zurück
versetzt. Mit großen Augen, und etwas ungeduldig, verfolge ich
jeden Schritt der jungen kirgisischen Bedienung bis endlich zu meinem
Tisch kommt und in mir die Speisekarte auf den übergibt. Doch
vorerst würdige ich dieser keinen Blick. Zwei kleine und ein großes
Wort genügen: „Einen KAFFEE bitte!“
Und dann steht er
vor mir. Dampfend, schwarz und ungezuckert. Ich kann mein Glück kaum
fassen. Echter Kaffee. Wie sehr hab ich dich vermisst. Keine
grauenhafte 3 in 1 Mischung. Kein selbst aufgekochter türkischer
Kaffee. Ganz normaler Filterkaffee. Wenn ich an Osch denke denke ich
vor allem an das Café California. Immer wieder finde ich Lokale die
mir mit ihrem Angebot ein Stückchen wohlschmeckende Heimat
wiedergeben. Doch dieser Ort hat eine eigene Magie. Was wohl auch
damit zusammenhängt, dass ich die Wochen zuvor in Tadschikistan
unterwegs war. Dort wurde ich an meine kulinarisch ertragbaren
Grenzen getrieben. Vor allem beim Frühstück, das generell aus Tee,
Spiegelei und Weißbrot bestand, ohne Kaffee. Jeden Tag. Wochenlang.
Jedes andere Essen? Fleisch. Mit Fleisch als Beilage. Mit viel Glück
eine Spur von Kartoffel. Eigentlich alles Dinge die sonst ganz oben
auf meiner Speisekarte stehen aber wie bei jeder Überdosis wird es
dauern bis ich über diese Erfahrung hinweg bin, und wieder mit gutem
Gewissen ein auf Eierbasis bestehendes Frühstück zu mir nehme. Das
Café California in Osch wird zu meinem Therapiezentrum. Es liegt
weit von meiner Unterkunft entfernt und doch schaffe ich es täglich
meinen Weg so zu gestalten, dass er mich mindestens einmal daran
vorbeiführt.
Eigentlich ist es
ein normales Café, nichts besonderes. Zumindest würde ich dass in
Europa sagen. In Zentralasien ist es als würde man einen Stein
umdrehen und darunter einen Diamanten finden. Die dort
arbeitenden Bedienungen sprechen perfektes Englisch. In Kirgistan und
den anderen Stans, abgesehen von Kasachstan, noch seltener als echten
Kaffee zu finden. Die Einrichtung ist ganz dem Namen angepasst. An
den Wänden hängen Poster von Filmen und deren Stars. Und auch in
der Speisekarte finden diese Einzug. Schonmal eine Arnold
Schwarzenegger Pizza probiert? Oder einen Salat á la Depardieu?
(french-dressing..) Dabei benötigt es überhaupt keine Namen von
Filmstars um die Gerichte aufzuwerten, da diese durchgehend gut, groß
und günstig sind. Ich bestelle einen Brownie. Mir wird ein
Ziegelstein großes Etwas auf den Tisch gestellt. Konsistenztest:
extra flauschig. Erster Bissen: Ich bin im Schokoladenhimmel. Könnte
ein Glückstreffer sein. Ein neuer Versuch. Versuchsobjekt
Käsekuchen. Wieder kommt ein Stück das für drei Personen reichen
würde und scheinbar frisch aus dem Ofen geholt wurde. Er ist noch
heiß. Erster Bissen. Verdammt nochmal, wie sind die an dass Rezept
meiner Mutter gekommen?
Es fehlt die
Königsdisziplin. Pizza. In meinem Hostel sind noch anderen
Rucksacktouristen mit denen ich bereits am Ende des Pamirhighways
unterwegs war. Alle waren sie bereits in diesem Café, und sind
ebenso begeistert wie ich. Doch noch keiner hat die Pizzas probiert.
Doch es ist ein weiter Weg, den keiner an diesem Abend mehr auf sich
nehmen will. Wir haben jedoch eine Speisekarte, auf der deren
Telefonnummer steht. Einen Versuch ist es Wert. Ich rufe an und frage
ob sie uns die Pizzas auch liefern können. Die Frau am anderen Ende
der Leitung ist zuerst etwas verwirrt über unseren Wunsch. Einen
Lieferservice haben sie eigentlich nicht. Eigentlich. Sie macht uns
denn Vorschlag dass uns ein Taxi die Pizzas liefern könnte. Kostet
im gesamten nur 2 Euro extra. Deal!
„Was hättet
ihr den gerne“ ist ihre nächste Frage.
„6 große
Pizzas, eine 4-Käse, zwei Schinken...“ beginne ich aufzuzählen.
„Wie viel
Personen seid ihr?“ unterbricht sie mich.
„6“ antwortet
ich verwundert
„Nehmt lieber
die mittleren, die großen schafft ihr niemals“
Vielleicht
unterschätzt sie unseren Hunger, aber wir lassen uns schließlich überreden.
Eine gute Entscheidung, denn als wir eine ¾ Stunde später die
Schachtel öffnen, verstehen wir was sie meint. Wenn dass die mittlere
Größe ist hätte eine große Pizza wohl eine ganze ausgehungerte
Großfamilie versorgt. Erster Bissen: Wie machen sie das? Ok, es
nicht die beste Pizza die je gegessen habe doch ich habe auch schon
wesentlich schlechtere von italienischen Restaurants auf den Tisch
gestellt bekommen. Und wieder einmal ist die Menge unerreichbar. Von
allen 6 Pizzas bleibt ein Viertel übrig. Frühstück für den
nächsten Morgen. Doch Pizza alleine ist morgens nicht ausreichend.
Es benötigt Kaffee. Die Lösung? Auf ins Café California!
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