Dienstag, 11. September 2012

Die Zauberer von Osch

Café California

Als ich sie zum ersten mal sehe entlockt es mir einen tiefen Seufzer. Ca. 30 Zentimeter hoch und in einem etwas vergilbten Weißton. Das gurgelnde Geräusch der Maschine ist Musik ist in meinen Ohren. In Kombination mit dem Geruch fühle mich in die Küche meiner Großmutter zurück versetzt. Mit großen Augen, und etwas ungeduldig, verfolge ich jeden Schritt der jungen kirgisischen Bedienung bis endlich zu meinem Tisch kommt und in mir die Speisekarte auf den übergibt. Doch vorerst würdige ich dieser keinen Blick. Zwei kleine und ein großes Wort genügen: „Einen KAFFEE bitte!“

Und dann steht er vor mir. Dampfend, schwarz und ungezuckert. Ich kann mein Glück kaum fassen. Echter Kaffee. Wie sehr hab ich dich vermisst. Keine grauenhafte 3 in 1 Mischung. Kein selbst aufgekochter türkischer Kaffee. Ganz normaler Filterkaffee. Wenn ich an Osch denke denke ich vor allem an das Café California. Immer wieder finde ich Lokale die mir mit ihrem Angebot ein Stückchen wohlschmeckende Heimat wiedergeben. Doch dieser Ort hat eine eigene Magie. Was wohl auch damit zusammenhängt, dass ich die Wochen zuvor in Tadschikistan unterwegs war. Dort wurde ich an meine kulinarisch ertragbaren Grenzen getrieben. Vor allem beim Frühstück, das generell aus Tee, Spiegelei und Weißbrot bestand, ohne Kaffee. Jeden Tag. Wochenlang. Jedes andere Essen? Fleisch. Mit Fleisch als Beilage. Mit viel Glück eine Spur von Kartoffel. Eigentlich alles Dinge die sonst ganz oben auf meiner Speisekarte stehen aber wie bei jeder Überdosis wird es dauern bis ich über diese Erfahrung hinweg bin, und wieder mit gutem Gewissen ein auf Eierbasis bestehendes Frühstück zu mir nehme. Das Café California in Osch wird zu meinem Therapiezentrum. Es liegt weit von meiner Unterkunft entfernt und doch schaffe ich es täglich meinen Weg so zu gestalten, dass er mich mindestens einmal daran vorbeiführt.

Eigentlich ist es ein normales Café, nichts besonderes. Zumindest würde ich dass in Europa sagen. In Zentralasien ist es als würde man einen Stein umdrehen und darunter einen Diamanten finden. Die dort arbeitenden Bedienungen sprechen perfektes Englisch. In Kirgistan und den anderen Stans, abgesehen von Kasachstan, noch seltener als echten Kaffee zu finden. Die Einrichtung ist ganz dem Namen angepasst. An den Wänden hängen Poster von Filmen und deren Stars. Und auch in der Speisekarte finden diese Einzug. Schonmal eine Arnold Schwarzenegger Pizza probiert? Oder einen Salat á la Depardieu? (french-dressing..) Dabei benötigt es überhaupt keine Namen von Filmstars um die Gerichte aufzuwerten, da diese durchgehend gut, groß und günstig sind. Ich bestelle einen Brownie. Mir wird ein Ziegelstein großes Etwas auf den Tisch gestellt. Konsistenztest: extra flauschig. Erster Bissen: Ich bin im Schokoladenhimmel. Könnte ein Glückstreffer sein. Ein neuer Versuch. Versuchsobjekt Käsekuchen. Wieder kommt ein Stück das für drei Personen reichen würde und scheinbar frisch aus dem Ofen geholt wurde. Er ist noch heiß. Erster Bissen. Verdammt nochmal, wie sind die an dass Rezept meiner Mutter gekommen?

Es fehlt die Königsdisziplin. Pizza. In meinem Hostel sind noch anderen Rucksacktouristen mit denen ich bereits am Ende des Pamirhighways unterwegs war. Alle waren sie bereits in diesem Café, und sind ebenso begeistert wie ich. Doch noch keiner hat die Pizzas probiert. Doch es ist ein weiter Weg, den keiner an diesem Abend mehr auf sich nehmen will. Wir haben jedoch eine Speisekarte, auf der deren Telefonnummer steht. Einen Versuch ist es Wert. Ich rufe an und frage ob sie uns die Pizzas auch liefern können. Die Frau am anderen Ende der Leitung ist zuerst etwas verwirrt über unseren Wunsch. Einen Lieferservice haben sie eigentlich nicht. Eigentlich. Sie macht uns denn Vorschlag dass uns ein Taxi die Pizzas liefern könnte. Kostet im gesamten nur 2 Euro extra. Deal!
„Was hättet ihr den gerne“ ist ihre nächste Frage.
„6 große Pizzas, eine 4-Käse, zwei Schinken...“ beginne ich aufzuzählen.
„Wie viel Personen seid ihr?“ unterbricht sie mich.
„6“ antwortet ich verwundert
„Nehmt lieber die mittleren, die großen schafft ihr niemals“

Vielleicht unterschätzt sie unseren Hunger, aber wir lassen uns schließlich überreden. Eine gute Entscheidung, denn als wir eine ¾ Stunde später die Schachtel öffnen, verstehen wir was sie meint. Wenn dass die mittlere Größe ist hätte eine große Pizza wohl eine ganze ausgehungerte Großfamilie versorgt. Erster Bissen: Wie machen sie das? Ok, es nicht die beste Pizza die je gegessen habe doch ich habe auch schon wesentlich schlechtere von italienischen Restaurants auf den Tisch gestellt bekommen. Und wieder einmal ist die Menge unerreichbar. Von allen 6 Pizzas bleibt ein Viertel übrig. Frühstück für den nächsten Morgen. Doch Pizza alleine ist morgens nicht ausreichend. Es benötigt Kaffee. Die Lösung? Auf ins Café California!


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