Montag, 3. September 2012

Felsen, Yaks und Opium

Der Pamir Highway. Auf den Spuren Marko Polos.

Dushanbe. Hauptstadt Tadschikistans. Von hier aus startet eine Straße die sich einmal quer durchs Land zieht und schließlich in der kirgisischen Stadt Osch endet. Es ist eine Strecke der Superlativen. Bergpässe die 4500 Höhenmeter überschreiten, gesäumt von 7000ern Gipfeln die die Tage erheblich verkürzen. Teilstrecken auf denen unzählige Chinesische Lastwagen das Land versorgen während man auf anderen den ganzen Tag möglicherweise nur 5 Autos zählt. Mit dem Karakul den zweit höchst gelegenen Bergsee der Erde. Aber eben auch die berüchtigste Drogenroute der Welt. Das aus Afghanistan stammende Heroin und Opium macht sich von hier aus auf den Weg und versorgt später die halbe westliche Welt. Viele die in Tadschikistan zu Vermögen gekommen sind haben dabei irgendwie ihre Finger im Spiel. Der Pamir Highway ist Tadschikistan. Er ist die Lebensader ohne die das Land einfach nur schwer zugängliches Gebirge wäre.

Im 13. Jahrhundert durchquerte Marko Polo auf seiner Reise nach China das Pamir Gebirge. In seinen Tagebüchern beschrieb er diesen Teil seiner Reise mit folgenden Worten:

„Die Ebene wird Pamir genannt, man durchquert diese in 12 Tagen und findet dabei nichts als eine Wüste ohne Behausungen oder irgendwelche grünen Dinge, Reisende sind daher verpflichtet alles was sie benötigen selbst mitzubringen. Diese Region ist so hoch gelegen und kalt dass man nicht mal fliegende Vögel fliegen sehen kann. Und ich muss ebenso anmerken dass, aufgrund dieser Kälte, Feuer weder so hell brennt, noch die gewöhnte Wärme erzeugt.“ 

700 Hundert Jahre später bauten die Sowjets dann die erste Straße durch diese Gegend und wieder 80 Jahre später stehe ich mit Polly und einer Gruppe bunt zusammengewürfelter Reisender an der Spitze des Ak-Baital Passes, blicke zurück auf Tadschikistan und erkenne dass der Urvater aller Ostreisenden recht hatte mit der Tatsache dass es dort oben wirklich Schweine kalt ist. Jedoch auch dass der Mann aus Venedig scheinbar schlecht informiert, oder ein Banause war. Oder Blind. Wie hat er es geschafft die wohl beeindruckendsten Naturanblicke Zentral Asiens zu verschweigen? Die traumhaft schönen, türkisblauen Bergseen, allen voran Karakul? Oder die weitläufigen, sehr wohl grünen und von Yaks bevölkerten Weiden im Hochplateau? Die Steinwüsten gibt es stellenweise doch Polo muss einen absurden, menschenfeindlichen Weg genommen haben, hat er nur diese gesehen.

Die Reisen Marko Polos waren Pionierarbeit, einfach ist es jedoch bis heute nicht. In Dushanbe kann es passieren dass man sich früh morgens auf die Suche nach einem Transportmittel macht und dennoch bis zum späten Nachmittag wartet bis im Jeep endlich alle Plätze belegt sind und die Tour der ersten Teilstrecke, ca. 500 km, nach Khorog beginnt. Was folgt ist eine Fahrt die, in unserem Fall, etwas mehr als einen Tag (24 Stunden!) dauert. Es wird die Fahrt mit der ich hinsichtlich der Dauer alle weiteren, folgenden vergleichen werde. 10 Stunden? Kinderkram! Ebenso wird es eine Fahrt, bei der wir auf einem Bergpass von einem Bautrupp für 2 Stunden gestoppt werden, da dieser damit beschäftigt ist einen neue Straße zwischen heruntergestürzten Felsbrocken freizuschaufeln. Eine Fahrt in der unser Fahrer, nachdem er seit 30 Stunden nicht geschlafen hat und immer kurz davor steht am Steuer ein Nickerchen einzulegen, sich irgendwann dazu überreden lässt für eine Stunde eine Pause einzulegen. Zuvor behauptet er kontinuierlich, nachdem ihn der Beifahrer mal wieder wachgerüttelt hat, dass dies unnötig sei da er diese Strecke auch im Schlaf absolvieren könne. Eine Fahrt bei der wir zwischendurch alle 10 Minuten notgedrungen anhalten müssen da der Motor überhitzt ist und Wasser nachgefüllt werden muss. All das mitgebrachte Wasser der Fahrgäste wird verwendet, bis wir schließlich eine rettende Wasserquelle am Straßenrand erreichen. Eine Fahrt bei der wir zwischendurch, mitten im Nirgendwo, zwei als Hippster (Punkfrisuren und rosa T-Shirts) gekleidete Freunde unseres Fahrers treffen die diesem, über beide Ohren grinsend, einen Opiumbrocken von der Größe eines Tennisballes präsentieren. Als wir schließlich Khorog erreichen entschließen wir uns dass nächste Teilstück nach Murgab per Anhalter zurückzulegen. Anstrengender kann es ja nicht werden.

Es kann. Mit dem optimistischem Gedanken dass zwischen Khorog und Murgab die einzige Route verläuft auf der chinesische Lastwagen ihre Waren nach Tadschikistan bringen stehen wir etwas außerhalb Khorogs an der letzten Raststelle bevor es ins Hochgebirge geht. Dieses mal sind wir es die schlecht informiert sind. Die chinesische Grenze ist aufgrund von Feiertagen zwei Tage geschlossen und die wiederum zwei folgenden Tage fallen auf ein Wochenende, an dem die Grenze ebenfalls nicht geöffnet ist. Die Lastwagen samt Fahrer warten somit alle bis Sonntag bis sie ihre Fahrt fortsetzen. Im Gebirge ist es schließlich zu kalt um 3 Tage vor verschlossenen Gittern zu verharren. Klingt logisch, ist für uns aber unerfreulich. Um aufzugeben muss allerdings schon mehr passieren, wir beschließen es mit normalen Autos zu versuchen. Es passiert nicht mehr, es passiert: Nichts. Stundenlang sitzen am Straßenrand. Jede Stunde passieren uns 1-2 Autos, bei denen es sich entweder um Einwohner des nächsten Dorfes handelt oder um, mit Touristen vollbesetzte, Geländewagen dessen Insassen uns fröhlich grinsend zuwinken. Immer wieder lehnen wir Einladungen von verschieden Personen ab die uns, nach kurzem Smalltalk, in die Kantine des Rasthofes einladen wollen. Wir haben noch Hoffnung dass wir doch noch eine Mitfahrgelegenheit finden uns dieses möglicherweise verpassen könnten, würden wir uns nicht an der Straße aufhalten. Immer mehr entnervt kauen wir auf unserem einzigen mitgebrachten Proviant herum. Trockenes Fladenbrot. Schließlich kommt der Gasthofbetreiber zurück, er hatte vorher schon versucht uns einzuladen, und drückt uns umgerechnet 10 Euro in die Hände mit denen wir uns gefälligst etwas vernünftiges zu Essen kaufen sollen. Wir versuchen ihm zu erklären dass wir nicht zu arm sind um uns etwas zu Essen zu kaufen, doch er unterbindet diesen Versuch mit dem Satz: „So wird dass hier in Tadschikistan nicht gemacht. Ihr nehmt dieses Geld und geht jetzt in die Kantine“ Es ist bereits später Nachmittag, wir haben inzwischen jegliche Hoffnung verloren und werden zudem von aufkommenden Sandstürmen drangsaliert. Wir ergeben uns unserem Schicksal und nehmen am nächsten Tag dann doch einen Geländewagen.

Die Fahrt nach Murgab selbst wird überraschend angenehm. Die Straße aufs Hochplateau ist im Vergleich zur vorherigen in gutem Zustand und fast durchgehend geteert. Oben angekommen sehe ich dann zum ersten mal weidende Yaks und später auch die von Polo beschriebenen Steinwüsten in denen dann wirklich kein grün mehr auszumachen ist. Dafür aber die türkis gefärbten Bergseen, die dieser Region ihr Surreales und völlig unvergleichliches Aussehen verleihen. Diese Hochebene zieht sich noch einige Stunden und endet schließlich in Murgab einer etwas rustikalen Kleinstadt auf über 3600 Metern. An diesem ehemaligen ehemaligen russischen Militärposten biegen die chinesischen Lastwagen in Richtung chinesische Grenze ab. Wer von hier aus per Anhalter jedoch dem Pamir Highway folgen will muss damit rechnen dass er tagelang wartet. Auch normaler Transport ist schwer oder sehr teuer da nur wenige Menschen aus Murgab in Richtung Kirgisische Grenze fahren wollen. Polly und ich haben allerdings Glück dass sich sich zeitgleich eine Gruppe anderer Rucksacktouristen in Murgab aufhält und wir somit gemeinsam einen günstigen Transport organisieren können.

So folgen wir ein ein letztes Mal dem Pamir Highway; können hierbei dem Fahrer unsere Stopps für Photos diktieren, verbringen einige Zeit am bezaubernden See Karakul und überqueren schließlich den Ak-Baital-Pass auf 4655 Metern, bevor es wieder bergab geht und wir schließlich die Grenze Kirgistans erreichen. Dort wird unserer Auto und Gepäck nur deshalb nicht auseinandergenommen weil sich der zuständige Kontrolleur mehr für die russisch sprechende Polly interessiert als für seinen eigentlichen Beruf. Für diesen fühlen sich dagegen relativ viele normale „Polizisten“ zuständig, die im gefühlten 2 km Abstand die Straße nach Osch belagern und jedes mal mit dem Standartpreis von 4 Dollar bestochen werden. Andernfalls würden sie das Auto zur nächsten Polizeistation bringen und auf der Suche nach Rauschgift komplett auseinandernehmen, was die Fahrtzeit um mehrere Stunden verlängern würde. Der Fahrer fragt noch was man machen würde, sollte die Polizei in Deutschland ein solches Vorgehen an den Tag legen. Die Antwort ist einfach und verlangt keine großen Überlegungen: „Die echte Polizei rufen!“ Doch dies ist Zentralasien. Staatssysteme die alle nahezu gleich funktionieren. Wenn jemand erkennt dass er eine Position besitzt mit der er anderen Leuten auf die Nerven gehen kann hat steigert dies seine Einkünfte. Es ist allgemein akzeptiert, und kann gewisse Vorgänge sogar extrem beschleunigen. „Buisness as usual“. Eines ändert sich dagegen schlagartig nach dem übertreten der Grenze. Die Schroffen, grauen, Felsformationen Tadschikistans werden von weinroten, mit saftigen Grün überzogenen, niedrigeren Bergketten abgelöst. Schade dass Marko Polo diese nicht gesehen hat, es wäre interessant was er hier verschwiegen hätte.









Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen