Jagdausbildung
auf kirgisisch
Wie so oft
beginnt es mit einer Zigarette. Wie so oft kreiert das gemeinsame
Laster eine Begegnung mit einem Wildfremden. Ich stehe vor einer Jurte im TianShan Gebirge und inhaliere hastig den Rauch um
wieder in die geheizte Unterkunft zu kommen. Ein älterer Mann in
kompletten Armee-Tarnoutfit kommt, etwas wankend, auf mich zu. Er
bittet um Feuer.Wortlos stehen wir nebeneinander, bis er realisiert
dass ich russisch verstehe. Der Mann heißt Samat und ist Jäger,
oder Polizist, oder doch Parkwächter eines Naturschutzreservates.
Genau weiß ich es bis heute nicht. So gut ist mein russisch auch
nicht und vielleicht auch, weil ich etwas betrunken bin, als ich
Stunden später in meinen Schlafsack krieche. Immerhin habe zu diesem
Zeitpunkt dann aber eine kirgisische Jäger Ausbildung erhalten.
Samat und ich
stehen also bei der gemeinsamen Zigarette im nassen Gras.
„Woher kommst
du?“ fragt er interessiert.
„aus
Deutschland“ sage ich, mit der Vorahnung dass sich ein nun
typischer Smalltalk mit einem Deutschen entwickelt. Die
Gesprächsthemen sind dabei stets auf drei Felder begrenzt. Autos,
Bier und Hitler. Doch dieses Gespräch läuft überraschenderweise
anders.
„Ohh
Deutschland, ich liebe Deutschland.“ erwidert Samat und ein breites
Grinsen ist in seinem Gesicht auszumachen. Kurz erklärt er dass er
vor etlichen Jahren seinen Militärdienst dort absolvierte und die
Menschen dort immer sehr nett zu ihm waren. Na sieh mal einer an!
„Wodka?“
Fragt Samat und schnippt sich dabei mit einem Finger an die Kehle,
das universelle Zeichen dass er sich mit mir betrinken will. Obwohl
er bereits zu diesem Zeitpunkt nicht ganz nüchtern erscheint. Ich
habe nichts dagegen. Kurze Zeit später sitzen wir in Samats kleinem
Armeezelt und nachdem er seinen ca. 10 Jährigen Sohn hinaus in die
Kälte vertrieben hat, zaubert er eine, nicht mehr ganz volle,
Flasche Wodka hervor. Nach der ersten Runde präsentiert er zudem
noch ein Glas Essiggurken und eine Flasche Kumis. Wenn es nicht Wodka
wäre, wäre Kumis wohl das Nationalgetränk der Kirgisier. Vergorene
Pferdemilch mit einem leichten Alkoholgehalt. Ein etwas
gewöhnungsbedürftiger Geschmack, der aber schon kurz darauf wieder
von der nächsten Wodkarunde vertrieben wird.
„Morgen,
Jagen?“ Fragt Samat und macht dazu die eindeutige Geste eines
Gewehrs im Anschlag.
„Jagen? Was
jagen und wo?“ erwidere ich verwundert da wir uns in einem
Naturschutzgebiet befinden
„Sousslik, hier
in den Bergen. Es ist ein Naturschutzgebiet aber wenn ich sage dass
es in Ordnung ist, ist es in Ordnung. Ich bin ein hohes Tier hier in
der Gegend.“ Erklärt er voller Stolz.
„Sousslik“
wiederhole ich.
Sousslik ist das russische Wort für die hier ansässigen orangefarbenen, pelzigen und ziemlich groß geratenen Murmeltiere.
Sousslik ist das russische Wort für die hier ansässigen orangefarbenen, pelzigen und ziemlich groß geratenen Murmeltiere.
„Ja morgen.
Sousslik, Pamm Pamm.“ Er wiederholt dabei seine vorherige Geste.
„Sousslik sind
gut, sind gesund.“ Samat reibt sich seinen Bauch.
Mit dem Wissen
dass ich zusammen mit Polly und ihrer Cousine, die sich etwas
entfernt im Zelt befinden, auf einer Wandertour bin und wir am
nächsten Tag ein hartes Programm vor uns haben, lehne ich dankend
ab. Zudem habe ich keine große Lust Jagd auf die pelzigen und sehr
lustig zu beobachtenden Murmeltiere zu machen.
„Du kannst auch
daneben schießen wenn du willst“ Samat erkennt wohl mein
Unbehagen.
Er versucht noch
eine Weile mich zu überreden gibt aber schließlich auf. Inzwischen
haben wir die Flache Wodka bis auf den letzten Tropfen leergetrunken.
Nun präsentiert Samat sein Arbeitsgerät, ein altes russisches
Jagdgewehr.
„Komm lass uns
etwas schießen“ fordert er mich auf und schreitet zielstrebig mit
Flinte, mir und seinem hinzukommenden Sohn im Schlepptau hinaus auf
ein Feld. Auf einem Baumstumpf werden einige Plastikflaschen
angebracht. Samat misst mit Schritten die Entfernung ab. 40 Meter.
Ich kann die Flaschen kaum erkennen. Er lädt dass Gewehr und drückt
es mir in die Hand. Anschließend erklärt er mir die
Entfernungseinstellung, die beste Gewehrhaltung und die Atmung beim
Zielen. Durch Kimme und Korn versuche ich die Flache zu erahnen und
drücke ab. Daneben. Etwas weiter hinten im Feld sehe ich wie die
Kugel einschlägt und Staub aufwirbelt. Der Schuss hallt laut im
Talkessel nach. Abwechselnd und unter dem Lärm der Schüsse
versuchen Samat, sein Sohn und ich abwechselnd die Flaschen zu
treffen. Niemanden gelingt es. Samat, der immer aus der Hocke schießt,
verliert dabei mehrmals seine Balance und muss den Versuch abbrechen.
Schließlich entscheidet er dass die Entfernung wohl doch etwas weit
ist und verkürzt auf 30 Meter. Der Vorgang wiederholt sich, ohne
dass jemand von uns die Flaschen trifft.
„Schlecht,
Schlecht, wir sind so schlecht.“ mosert Samat.
„Und betrunken“
füge ich in Gedanken hinzu.
„Wartet hier“
sagt Samat und geht in Richtung seines Zeltes.
Während wir
warten versuche ich mich etwas mit seinem Sohn zu verständigen was
aber aufgrund der Sprachbarrieren nur mit Zeichensprache möglich
ist.
Als Samat nach 15
Minuten zurückkommt hat er die leere Flasche und eine, bereits
geöffnete, neue Flasche Wodka dabei. Zudem angesägte
Spezialmunition die er stolz präsentiert und erklärt. Er schreitet
zum Baumstamm und postiert die leere Flasche Wodkaflasche zu den
anderen. Wieder zurück
wird eine weitere Runde getrunken. Doch es ändert nichts. Von 30
Metern Entfernung hilft kein Zielwasser und keine Spezialmunition.
Aufgrund der Kälte verliere ich auch langsam die Lust. Der Abstand
wird auf 20 Meter verkürzt. Zum ersten mal kann ich die Flaschen
auch deutlich erkennen. Ich ziele und drücke ab. Und lautem
Klirrgeräusch zerspringt der Hals der Wodkaflasche.
„Ohhh Stefan,
sehr gut“ entfährt es Samat der mich anschließend überschwänglich
umarmt. Auch Samat trifft den Rest der Flasche. Endlich scheint auch
er zufrieden.Wieder trinken wir eine weitere Runde auf den Erfolg und
beenden dass Zielschießen.
„Morgen
Sousslik jagen?“ versucht er erneut mich zu überreden.
Auch wenn es
sicher interessant wäre mit Samat und Flinte durchs Gebirge zu
ziehen und die Murmeltiere aufgrund unserer, doch begrenzten,
Zielfähigkeiten wohl nichts zu befürchten hätten, lehne ich erneut
ab. Als ich später wieder zu meinem Zelt zurückkomme höre ich
Vorwürfe. Die Leute in den Zelten waren wohl etwas verängstigt vom
andauernden herumgeballere im Tal. Auch wenn wir in die entgegen
gesetzte Richtung geschossen haben, aufgrund der Situation dass wir
wohl nicht zu sehen waren und ziemlichen Lärm verursacht haben kann
ich die Vorwürfe in diesem Moment nachvollziehen. Ich hätte in
diesem Fall wohl auch kein gutes Gefühl gehabt, hätte ich nicht
selbst die Flinte in den Händen gehabt.
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