Über
das Schreiben.
Ich
werde verfolgt. Dessen bin ich mir sicher. Was ist ein Reisender ohne
jemand der ihn verfolgt? Mein Verfolger erinnert mich an den Detektiv
Fix, der Phileas Fogg auf seiner Reise um die Erde verfolgte. In
Gedanke sehe ich wie er wie ein Spürhund durch die Erlebnisse
schnüffelt. Er gräbt, findet und sortiert seine Informationen um
sich daraus ein Bild zu machen. Mit jedem Puzzlestück kommt er
wieder einen Schritt näher. Er ist weit weg, aber er ist mir auf den
Fersen. Manchmal schneller, meist aber langsamer. Und doch gebe ich
ihm Nahrung, auf dass er nicht kraftlos auf der Strecke bleibt. Wer
will schon seinen eigenen Schatten verlieren wenn er sich einmal
daran gewöhnt hat.
Schreiben nervt manchmal. Es hilft das Erlebte zu verarbeiten und einzuordnen, aber manchmal fällt es schwer sich zurückzuversetzen, zu beschreiben und dies in sinnvolle Sätze zu fassen. Gerade wenn man in Laos, im traumhaften Mekong Flussdelta der 4000 Inseln, in einer Hängematte liegt und ein amüsante, kurzweilige Geschichte über China schreiben will. Es ist gerade mal 23.00 Uhr und die Insel schläft. Nur der Wind bläst sanft durch die Blätter der Bäume, um mich herum herrscht der Zauber des Mekongs. Es ist still. Wenn man das durchgehende Grillengezirpe ausblendet. Wie soll ich hier über China schreiben? Im großen und ganzen dass genau Gegenteil von Laos. Mir fällt nichts ein. Wieder gräbt der Schatten durch die vergangen Erlebnisse auf der Suche nach einer Information. Doch bei China findet er vorerst nur Zettel mit kurzen, wirren Eindrücken. Will ich überhaupt über China schreiben? Lohnt es sich darüber zu schreiben? Über was schreiben? Über den Umgang des chinesischen Staates mit den Uiguren in Xinjiang der vergessenen Provinz in Westchina, wo im Prinzip dass gleiche gemacht wird wie in Tibet? Die Provinz hat den selben Status und eine ähnelnden Geschichte. Nur dass es dort keine bunten Flaggen, wenig betende, friedliche Mönche gibt und eben dass daher keine weltweit vermarktete Slogans wie „Free Xinjiang“ auf T-Shirts und Aufkleber im Umlauf sind, und es daher kein Schwein interessiert. Darüber will ich nicht schreiben.
Ein
neuer Zettel. Chinesischer Umgang mit Ausländern, der Welt und
untereinander. Schon wieder ein Thema dass ich ganz gern umgehen
würde. Sonnst würde ich darüber schreiben wie man die Ellbogen
ausfährt um in eine U-Bahn zu gelangen und man sich daran gewöhnt
weil es jeder so macht und man anders niemals hineingelangt. Oder
über lokale Touristen die in den Gartenanlagen des Sommerpalastes
ungeniert neben einer Gruppe Afro-Amerikaner herlaufen und sie fotografiert
als wären sie auf einer Safari. Dabei dann auch darüber, wie ich
mich dazu entschließe mit ihnen dasselbe zu machen. Hier in Laos
haben sie ein geläufiges Wort dass Besucher übersetzt als „Weißer
mit großer Nase“ bezeichnet, darüber kann ich schmunzeln, in
China ist dass Wort einfach nur „Ausländer“, darüber nicht.
Mir
fällt die bereits verworfene Geschichte mit dem Titel „Japanische
Hunde“ ein. Eine Geschichte über ein paar kleine Inseln die China
und Japan dazu bringen in den Medien offen über Krieg zu sprechen
und wie ich zur selben Zeit durch eine chinesische Stadt laufe wo
Polizisten im Kampfanzug und mit Holzbarrieren ein Hotel bewachen in
dem sich ein Japaner aufhält. Ein wütender Mob hatte bereits
versucht in dieses zu gelangen. Wie japanische Restaurants
geschlossen und mit Brettern vernagelt sind und wie vor Geschäften
und Bars Verbotsschilder hängen auf denen steht: „No Japanese and
no dogs allowded.“ Dass die Gründe hierfür auf Gehirnwäsche
durch Medienpropaganda, auf Japan selbst und auf den zweiten
Weltkrieg zurückgehen war der Grund dafür warum ich sie bereits mit
gutem Grund verworfen hatte. Ich will etwas amüsantes schreiben.
Dabei
fällt mir die Frau mit Baby ein die ich während meines ersten
Spaziergangs durch Peking beobachte. Wie sie mitten in der Stadt auf
einem Gehweg eine Zeitung auslegt und ihr Kind darüber hält, damit
es sein Geschäft verrichtet. Wie mir dabei auffällt dass alle
Kleinkinder Hosen mit Dreiecksaussparungen am Hintern tragen weil in
China keine Windeln verwendet werden. Ich könnte die Geschichte mit
den öffentlichen Toiletten verbinden, in denen es Stehtoiletten gibt
die mit einem einzigen Kanal verbundenen sind. Dafür aber keine
Türen und nur ca. 1 Meter hohe Abtrennungen. Die Anekdote wie ich in
eines dieser Toilettenhäuschen hineingehe und ein völlig
entspannter, grinsender Chinese in der Hocke freundlich über seine
Zeitung hinweg grüßt wäre durchaus amüsant. Aber wie würde ich
sie nennen? Die Klo Geschichte? Naja. Ein Besuch eines chinesisches
Restaurant in dem die Überreste einfach auf den Boden geworfen
werden und ein kleiner Junge mit Besen und Schaufel um herläuft und
diese wieder einsammelt in Verbindung mit der Klo Geschichte?
Sozusagen der ganze Kreislauf des Essens. Interessant darüber
nachzudenken, aber wohl doch zu abstrus.
Was
übrig bleibt sind all die besuchten Touristenattraktionen. Die
Terrakotta Armee, die verbotene Stadt, Chinas Venedig in Lijiang, der
Riesenbuddha von Leishan, die unzähligen kleineren Tempel. Die
Tempel fallen alle weg, da die chinesische Auffassung von
Kulturerhaltung bedeutet: ist etwas alt wird es abgerissen, sollten
sich Touristen dafür interessieren wird es neu aufgebaut.
Renovieren, nie gehört. Der selbe Grund schließt Lijiang aus.
Obwohl die Kanalstruktur und die Baustruktur der Häuser unter dem
Weltkulturerbe stehen hat sich das ganze in ein einziges
Playmobildorf verwandelt. Es war wohl auch dass erste mal dass es
möglich war ein McDonalds in ein durch UNESCO geschütztes Gelände
zu bauen. Die
Terrakotta Armee, die verbotene Stadt, der Riesen Buddha. Alles
eindrucksvolle Erlebnisse aber nichts davon ist es wert eine einzige
Geschichte darüber zu schreiben, ich müsste den Buddha größer
machen als er ist, und er ist 70 Meter hoch, im sitzen!
Und
dann doch. Tief in den Bergen des Himalayas hat mein Schatten einen
Zettel gefunden auf dem ein einziges Wort notiert ist. Je mehr ich
darüber nachdenke, umso mehr bin überzeugt mit diesem Wort meine
Geschichte gefunden zu haben. Das Wort auf dem Zettel lautet:
SHANGRI-LA.
Fortsetzung
folgt...
Hallo Stefan,
AntwortenLöschenich bewundere Dich, Deine Reise und Deine Art zuschreiben.
Ich kann es sehr gut nachvollziehen. Auch mir fällt das schreiben schwer.
Was Du hier in diesem Blogeintrag gemacht hast ist genial!
Einfach ehrlich geschrieben was Dich beschäftig und viele kleine Geschichten reingepackt was in letzter Zeit geschehen ist.
Meine Hochachtung! :)
Ich liebe Deinen Blog!
Alles Gute und ganz liebe Grüße aus der Türkei... :)
Stephan
Vielen lieben Dank! Hört man immer gerne. :)
AntwortenLöschenDir auch weiterhin alles Gute bei deiner Reise, die ich ebenfalls sehr bewundere. :)