Donnerstag, 21. März 2013

Der Schatten

Über das Schreiben.

Ich werde verfolgt. Dessen bin ich mir sicher. Was ist ein Reisender ohne jemand der ihn verfolgt? Mein Verfolger erinnert mich an den Detektiv Fix, der Phileas Fogg auf seiner Reise um die Erde verfolgte. In Gedanke sehe ich wie er wie ein Spürhund durch die Erlebnisse schnüffelt. Er gräbt, findet und sortiert seine Informationen um sich daraus ein Bild zu machen. Mit jedem Puzzlestück kommt er wieder einen Schritt näher. Er ist weit weg, aber er ist mir auf den Fersen. Manchmal schneller, meist aber langsamer. Und doch gebe ich ihm Nahrung, auf dass er nicht kraftlos auf der Strecke bleibt. Wer will schon seinen eigenen Schatten verlieren wenn er sich einmal daran gewöhnt hat.

Schreiben nervt manchmal. Es hilft das Erlebte zu verarbeiten und einzuordnen, aber manchmal fällt es schwer sich zurückzuversetzen, zu beschreiben und dies in sinnvolle Sätze zu fassen. Gerade wenn man in Laos, im traumhaften Mekong Flussdelta der 4000 Inseln, in einer Hängematte liegt und ein amüsante, kurzweilige Geschichte über China schreiben will. Es ist gerade mal 23.00 Uhr und die Insel schläft. Nur der Wind bläst sanft durch die Blätter der Bäume, um mich herum herrscht der Zauber des Mekongs. Es ist still. Wenn man das durchgehende Grillengezirpe ausblendet. Wie soll ich hier über China schreiben? Im großen und ganzen dass genau Gegenteil von Laos. Mir fällt nichts ein. Wieder gräbt der Schatten durch die vergangen Erlebnisse auf der Suche nach einer Information. Doch bei China findet er vorerst nur Zettel mit kurzen, wirren Eindrücken. Will ich überhaupt über China schreiben? Lohnt es sich darüber zu schreiben? Über was schreiben? Über den Umgang des chinesischen Staates mit den Uiguren in Xinjiang der vergessenen Provinz in Westchina, wo im Prinzip dass gleiche gemacht wird wie in Tibet? Die Provinz hat den selben Status und eine ähnelnden Geschichte. Nur dass es dort keine bunten Flaggen, wenig betende, friedliche Mönche gibt und eben dass daher keine weltweit vermarktete Slogans wie „Free Xinjiang“ auf T-Shirts und Aufkleber im Umlauf sind, und es daher kein Schwein interessiert. Darüber will ich nicht schreiben.

Ein neuer Zettel. Chinesischer Umgang mit Ausländern, der Welt und untereinander. Schon wieder ein Thema dass ich ganz gern umgehen würde. Sonnst würde ich darüber schreiben wie man die Ellbogen ausfährt um in eine U-Bahn zu gelangen und man sich daran gewöhnt weil es jeder so macht und man anders niemals hineingelangt. Oder über lokale Touristen die in den Gartenanlagen des Sommerpalastes ungeniert neben einer Gruppe Afro-Amerikaner herlaufen und sie fotografiert als wären sie auf einer Safari. Dabei dann auch darüber, wie ich mich dazu entschließe mit ihnen dasselbe zu machen. Hier in Laos haben sie ein geläufiges Wort dass Besucher übersetzt als „Weißer mit großer Nase“ bezeichnet, darüber kann ich schmunzeln, in China ist dass Wort einfach nur „Ausländer“, darüber nicht.

Mir fällt die bereits verworfene Geschichte mit dem Titel „Japanische Hunde“ ein. Eine Geschichte über ein paar kleine Inseln die China und Japan dazu bringen in den Medien offen über Krieg zu sprechen und wie ich zur selben Zeit durch eine chinesische Stadt laufe wo Polizisten im Kampfanzug und mit Holzbarrieren ein Hotel bewachen in dem sich ein Japaner aufhält. Ein wütender Mob hatte bereits versucht in dieses zu gelangen. Wie japanische Restaurants geschlossen und mit Brettern vernagelt sind und wie vor Geschäften und Bars Verbotsschilder hängen auf denen steht: „No Japanese and no dogs allowded.“ Dass die Gründe hierfür auf Gehirnwäsche durch Medienpropaganda, auf Japan selbst und auf den zweiten Weltkrieg zurückgehen war der Grund dafür warum ich sie bereits mit gutem Grund verworfen hatte. Ich will etwas amüsantes schreiben.

Dabei fällt mir die Frau mit Baby ein die ich während meines ersten Spaziergangs durch Peking beobachte. Wie sie mitten in der Stadt auf einem Gehweg eine Zeitung auslegt und ihr Kind darüber hält, damit es sein Geschäft verrichtet. Wie mir dabei auffällt dass alle Kleinkinder Hosen mit Dreiecksaussparungen am Hintern tragen weil in China keine Windeln verwendet werden. Ich könnte die Geschichte mit den öffentlichen Toiletten verbinden, in denen es Stehtoiletten gibt die mit einem einzigen Kanal verbundenen sind. Dafür aber keine Türen und nur ca. 1 Meter hohe Abtrennungen. Die Anekdote wie ich in eines dieser Toilettenhäuschen hineingehe und ein völlig entspannter, grinsender Chinese in der Hocke freundlich über seine Zeitung hinweg grüßt wäre durchaus amüsant. Aber wie würde ich sie nennen? Die Klo Geschichte? Naja. Ein Besuch eines chinesisches Restaurant in dem die Überreste einfach auf den Boden geworfen werden und ein kleiner Junge mit Besen und Schaufel um herläuft und diese wieder einsammelt in Verbindung mit der Klo Geschichte? Sozusagen der ganze Kreislauf des Essens. Interessant darüber nachzudenken, aber wohl doch zu abstrus.

Was übrig bleibt sind all die besuchten Touristenattraktionen. Die Terrakotta Armee, die verbotene Stadt, Chinas Venedig in Lijiang, der Riesenbuddha von Leishan, die unzähligen kleineren Tempel. Die Tempel fallen alle weg, da die chinesische Auffassung von Kulturerhaltung bedeutet: ist etwas alt wird es abgerissen, sollten sich Touristen dafür interessieren wird es neu aufgebaut. Renovieren, nie gehört. Der selbe Grund schließt Lijiang aus. Obwohl die Kanalstruktur und die Baustruktur der Häuser unter dem Weltkulturerbe stehen hat sich das ganze in ein einziges Playmobildorf verwandelt. Es war wohl auch dass erste mal dass es möglich war ein McDonalds in ein durch UNESCO geschütztes Gelände zu bauen. Die Terrakotta Armee, die verbotene Stadt, der Riesen Buddha. Alles eindrucksvolle Erlebnisse aber nichts davon ist es wert eine einzige Geschichte darüber zu schreiben, ich müsste den Buddha größer machen als er ist, und er ist 70 Meter hoch, im sitzen!

Und dann doch. Tief in den Bergen des Himalayas hat mein Schatten einen Zettel gefunden auf dem ein einziges Wort notiert ist. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr bin überzeugt mit diesem Wort meine Geschichte gefunden zu haben. Das Wort auf dem Zettel lautet: SHANGRI-LA.

Fortsetzung folgt...



















2 Kommentare:

  1. Hallo Stefan,

    ich bewundere Dich, Deine Reise und Deine Art zuschreiben.

    Ich kann es sehr gut nachvollziehen. Auch mir fällt das schreiben schwer.
    Was Du hier in diesem Blogeintrag gemacht hast ist genial!

    Einfach ehrlich geschrieben was Dich beschäftig und viele kleine Geschichten reingepackt was in letzter Zeit geschehen ist.

    Meine Hochachtung! :)

    Ich liebe Deinen Blog!

    Alles Gute und ganz liebe Grüße aus der Türkei... :)
    Stephan

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  2. Vielen lieben Dank! Hört man immer gerne. :)

    Dir auch weiterhin alles Gute bei deiner Reise, die ich ebenfalls sehr bewundere. :)

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