Montag, 11. Juni 2012

Ausgehorcht. Kamran, der Verrückte.

Von Couch zu Couch durch den Iran. Teil 1

Eines vorweg: aus den in der Geschichte folgenden Gründen wurden Namen und Orte geändert oder unkenntlich gemacht...

Die Iranische Regierung zensiert das Netz. Facebook, geblockt. YouTube, geblockt. Alle Seiten großer ausländischer Medienunternehmen, geblockt. Jegliche Blogseiten, geblockt. (Man verzeihe das Wortspiel) Das Couchsurfing Portal, bester Freund aller Reisender mit knappem Budget, mehr oder weniger geblockt. Ein Problem das aber nur in Internetcafés besteht. Auf allen privaten Rechner sind Programme installiert die die Verbindung zu Servern in den USA, in Deutschland oder auch in der Antarktis umleiten und so den freien, unzensierten Internetzugang gewährleisten.

Im Iran herrscht von oben die Anordnung mit Ausländern keinen Kontakt über das normale Maß hinaus zu pflegen. Gerade die junge Iranische Bevölkerung versteht unter normalem Maß aber scheinbar etwas anders als deren Regierung. Nach der Türkei gibt es im Osten hier wohl die größte und aktivste Couchsurfing Gemeinschaft. Während in der Türkei das Portal jedoch oftmals als Dating Website missbraucht wird, lieben die Jungen Iraner das eigentliche Konzept. Reisende Ausländer in deren Haus einzuladen und ihnen Stadt, Region und Kultur näher zubringen. Alles was man dort als Reisender machen muss ist anzugeben dass man sich in einer Region befindet, der Rest geht quasi von selbst. Dennoch ist es mehr oder weniger illegal. Als Reisender kann man des Landes verwiesen werden und die Iraner können große Probleme bekommen sollte die Regierung Wind davon bekommen. Wo immer einschneidende Regeln vorherrschen gibt es junge Menschen denen es Spaß macht diese zu umgehen und ein System damit umso absurder erscheinen lassen. Einer der dies zu seiner persönlichen Passion gemacht hat ist Kamran, eine Iranische Couchsurfing Legende.

Schon bevor wir auf seiner Couch in einer Wüstenstadt landeten wurde mir bewusst dass Kamran im ganzen Land bekannt ist. Selbst 500 Kilometer entfernt kennen die Iranischen Couchsurfer diesen Namen. Sie sprechen von ihm als würden sie am Lagerfeuer eine Geschichte aus vergangenen Zeiten erzählen. Ein angeblich Verrückter der wirklich jeden in sein Haus einlädt. Obwohl, dort angekommen, Haus eigentlich das falsche Wort ist. Er lebt in einem Kellergewölbe und da er es seinen Gästen freistellt die Wände zu bemalen, gleicht es einer Bahnhofstoilette mit amüsanten und manchmal etwas schlüpfrigen Zeichnungen und Sprüchen, in verschiedensten Sprachen. Der Kühlschrank ist außen bis zum letzten Quadratzentimeter mit Passfotos von Gästen voll gepflastert und so manch einer entdeckt dort andere Reisende die er irgendwann auf dem Weg kennenlernte. Zusammen mit verschiedensten Dekorationsobjekten und einer generellen Unordnung wurde aus Kamrans Keller im Laufe der Zeit ein Gesamtkunstwerk. Ebenso wie er selbst eines ist. Am ersten Abend drückt er uns einen Schlüssel in die Hand, verweist uns an den polnischen Couchsurfer der bereits im Keller liegt und verabschiedet sich um einen Freund, irgendwo in einem Wüstenkaff, für ein paar Stunden zu besuchen. Zurück kommt er am nächsten Vormittag. Die Nacht zuvor verbrachte er in der Zelle einer Polizeistation, während Polizisten sein Auto auf der Suche nach Drogen erfolglos auseinander genommen haben. Er ist völlig übernächtigt und gerädert, hat dabei aber daran gedacht seinen Gästen Frühstück mitzubringen. Bestehend aus Falafel, Cola und einigen Rauchutensilien. Um etwas zu schlafen nimmt er zusätzlich zwei Schlaftabletten. Anstatt müde zu werden bewirken diese aber nur das er den ganzen Nachmittag völlig absurde, aber durchaus amüsante Gedanken von sich gibt. Anschließend geht er in die Arbeit in einem Hotel.

Wir treffen ihn dort später wieder und er gibt sich völlig seriös. Gut so, denn wir sind nicht unbeobachtet. Während Kamran uns Cai bringt warnt er uns vor einem alten Mann der durch das Restaurant schlendert und Touristen ausfragt. Geheimpolizei. Kurz darauf steht er vor uns. Lässig gekleidet und mit freundlicher, aufgesetzter Mine. Woher kommt ihr? Wohnt ihr in diesem Hotel? Welche Städte im Iran habt ihr besucht? Von unseren kurzen, und nichts aussagenden, Antworten scheinbar entnervt, zieht er schließlich von dannen. Kurze Zeit darauf kommt ein junge Frau zu unserem Tisch und beginnt eine Konversation. Ihre angebliche Schwester sitzt während dessen lauschend am Tisch nebenan. Nach kurzer Vorstellung erfahren wir das ihr Vater vor kurzer Zeit gestorben ist. Eine komische Art ein Gespräch zu beginnen. Unsere unbeholfene Beileidsbekundung wird regungslos übergangen und nach kurzen einschmeichelnden Smalltalk werden die Fragen präziser: Woher kommt ihr? Wie lange seit ihr schon im Iran? In welchem Hotel wohnt ihr? Wo ist dieses (angebliche) Hotel? - Irgendwie etwas suspekt. Wo geht ihr Essen? Wer ist euer Tourguide? Warum habt ihr keinen Tourguide? - Schon etwas mehr suspekt. Ihre Schwester beobachtet das Gespräch und auch der alte Mann dreht weiterhin seine Runden. Das Protokoll schreitet voran. Habt ihr eine Kamera? Kann ich eure Fotos sehen, natürlich nur die von hier? - Sehr suspekt! Zum Glück sind nur typische Touristenbilder des vorherigen Tages auf der Speicherkarte. Dennoch wirft sie auf alles einen genauen Blick. Selbst wenn nur irgendwelche Fremden in die Kamera lachen wird gefragt wer dies denn sei. Wir schaffen es schließlich die beiden Schwestern loszuwerden. Kurz darauf verlassen sie zusammen mit dem alten Mann das Hotelrestaurant. Etwas später kommt die junge Frau nochmals zurück und bittet uns, angeblich im Auftrag ihrer Schwester, um unsere Telefonnummer. Nichts liegt uns in diesem Moment ferner als ein Handy zu besitzen.

Wieder in Kamrans Keller angekommen stoßen noch 2 andere Couchsurfer hinzu und die ganze Nacht wird getrunken und geraucht. Im Keller befinden sich nur ein Bett und eine kleine Couch die, kommentarlos, den Frauen zugestanden werden. Als ich meine Augen zu später Stunde schließe liegen der Pole, ein Serbe und ich am Boden. Nur Kamran, der noch immer nicht geschlafen hat, sitzt am Computer und lädt bereits die nächsten Couchsurfer ein ihn in seinem Keller zu besuchen.




2 Kommentare:

  1. ja holla, klingt sehr halsbrecherisch die ganze Sache. hmmm - wird wohl auch immer stranger die ganze sache!!!

    lass dich nicht erw...zensiert...wer weiß wer mitliest

    AntwortenLöschen
  2. wenn man vor ort ist ist es lustiger als man denkt ;)

    AntwortenLöschen