Montag, 11. Juni 2012

Durchgeplant. Aftab, der Rastlose.

Von Couch zu Couch durch den Iran. Teil 2

Eine gänzliche andere Couchgeschichte als in der Wüstenstadt erlebten wir in Isfahan, der wohl grünsten Stadt des Iran. Nun ist der Iran im Gegensatz zur westlichen Vorstellung ein sehr grünes Land, doch Isfahan ist ein Nummer für sich. Ein breiter Fluss durchschneidet die Stadt, 7 architektonisch sehr verschieden Brücken verbinden sie wieder. Links und rechts am Ufer gesäumt von weitläufigen Parkanlagen. Das Zentrum der Stadt bildet der unter dem Weltkulturerbe stehende Imam Platz. Ein von Mauern und Arkaden verbundesnes Gebilde, bestehend aus 3 Moscheen und dem ehemaligen Palast des Schahs. Der Platz innerhalb der Mauern diente einst dem Schah, vom Palast aus, Polo Wettkämpfe zu beobachten. Heute flanieren hier Ortsansässige und Touristen zwischen Grünflächen, Fruchtbäumen und Brunnenanlagen. Diesen zu besuchen wurde uns von unserem dortigen Couchhost, Aftab vorerst mehr oder weniger verboten.

Als wir früh morgens mit dem Bus in Isfahan ankommen sind wir sehr müde. Tags zuvor wählten wir ein Ticket bei der günstigsten Busgesellschaft. Ein Fehler. Bis dahin waren wir Busse gewöhnt die selbst nachts auf schweißtreibende Temperaturen geheizt wurden. Dieser Bus hingegen wurde, warum auch immer, von der Klimaanlage auf eisige Temperaturen herunter gekühlt. Wir waren darauf nicht vorbereitet und zusammen mit den äußerst unkomfortablen Sitzen war an Schlaf nicht wirklich zu denken. Verfroren und Übermüdet stehen wir am Busbahnhof Isfahans. Der einzige Wunsch: Ein Platz zum Schlafen. Es wird jedoch dauern bis uns dieser Wunsch erfüllt wird. Aftab, 31, Englischlehrer, unverheiratet, (Was in diesem Alter für einen Iraner ein sehr schlechtes Zeichen ist) kommt um uns abzuholen. Er schleppt uns Zombies zum Frühstücken zu einer der Brücken, und weist uns an bis zum Nachmittag die anderen Brücken zu besichtigen. Aber nicht das Zentrum, denn das sollen wir uns für den nächsten Tag, wenn auch er Zeit für uns hat, aufsparen. Zumindest unser Gepäck sind wir los. Wir gehen über die zwei beeindruckendsten Brücken und verbringen die restliche Zeit im Halbschlaf in einem der Parks. Als Aftab uns wieder aufgabelt bringt er uns zu sich, und seiner Mutter, nach Hause wo wir endlich schlafen können. Zwei Stunden später werden wir wieder geweckt und müssen anschließend das Haus verlassen da Aftabs Familie ihm ein Treffen mit einer Frau verschafft hat. Etwas ausgeruht besuchen wir die wankenden Minarette und die Reste des zoroastrischen Feuertempels auf der Spitze eines Hügels.

Nach dem Abendessen in Aftabs Haus will er uns seine Familie ein paar Straßen weiter vorstellen. Polly weist er an ihr, ansonsten eher lässiges gebundenes, Kopftuch konservativer zu tragen da seine Familie sehr religiös ist. Seine Familie ist nicht nur religiös sondern auch sehr groß. Kurz darauf sitzen wir mit 14 anderen Personen auf einem Teppich im Innenhof eines Mehrfamilienhauses. In der Mitte des Kreises. Zu meiner linken: alle Männer. Zu meiner rechten: Polly und alle anderen verschleierten Frauen. Mir gegenüber, und damit die andere Geschlechter trennende Grenze, der Hausherr. Dieser wechselt aber schnell den Platz nach dem er erfahren hat das Polly und ich nicht verheiratet sind. Fortan sitzt er zwischen uns. Zu Tee und Melonen entwickeln sich zwei verschiedene Gesprächsgruppen mit dieser unglaublich gastfreundlichen und herzlichen Familie. Doch der kulturelle Unterschied ist sehr gravierend. Auf die Frage warum wir nicht verheiratet sind antworte ich dass wir Freunde sind (Alle anderen Varianten wären im Iran illegal) dennoch werden wir immer wieder gefragt wann wir denn Kinder haben werden und in welchem Land wir dann leben wollen. Meine Antworten sind aber eh nicht so wichtig da Aftab offensichtlich die Antworten nach seinem eigenen Ermessen interpretiert und übersetzt. Ich frage ob ich ein paar Fotos machen kann. Freudig wird zugestimmt und posiert. Allerdings nur in einer der Hälften. Sobald ich meine Linse über die magische 90° Grad Grenze vor mir bewege, werden die eh schon vermummten Gesichter schleunigst hinter den Kopftüchern verborgen. Macht Polly jedoch Fotos, egal mit welcher Kamera, erhält sie absurderweise Fotos von den Gesichtern der Frauen. Nach dieser allgemein interessanten Erfahrung neigt sich der erste durchgeplante Tag in Isfahan endlich dem Ende zu. Der zweite sollte nicht großartig anders verlaufen.

Als ich frühmorgens meine Augen aufmache steht ein fertig geschniegelter Aftab vor mir und blickt mit großen, ungeduldigen Augen auf mich herab. Polly die, wie immer, schon wach ist sitzt am anderen Ende des Raumes. Ihr entschuldigender Blick zeigt mir dass sie in diesem Moment meine Gedanken lesen kann. Nicht unbedingt das was ich mir unter einem angenehmen Aufwachen vorstelle. Aftab hat scheinbar noch nicht mitbekommen dass ich kein Morgenmensch bin. Stattdessen wiederholt er ständig dass wir nicht zu viel Zeit vertrödeln dürfen da wir einiges Besichtigen müssen, und daher einen vollen Terminkalender haben. Nachdem ich mich grummelnd von meinem gemütlichem Teppich-Schlafplatz erhoben habe wird darüber ein weiterer Teppich ausgerollt und von Aftabs Mutter das Frühstück aufgetragen. Kurze Zeit später sitzen wir in Aftabs Auto und die Odyssee durch Isfahan beginnt. Und bei dieser werden wir ihn an den Rand der Verzweiflung bringen. Als wir den Großartigen Schahpalast und die große Moschee am Imam Platz besichtigen verlieren wir uns mit unseren Kameras in der Vielzahl der Motive. Aftab drängelt ungeduldig zur Eile. Wir dagegen halten alle paar Meter inne und spielen mit unseren Kameraeinstellungen. Zwischendurch verhandeln wir mit Händlern über die Preise von Reiseschachbrettern und sonstigen Souvenirs, kaufen aber nichts. Kurz darauf lesen wir einen Französischen Couchsurfer auf den wir in unsere Gruppe integrieren. Aftab stimmt zu da er von dessen Dreadlocks fasziniert ist. Da ihm der Franzose aber verbietet diese zu berühren macht es schnell den Anschein als bereue er seine Entscheidung.

Anschließend bringt er uns zum Palast der 40 Säulen. Eigentlich sind es nur 20 Säulen, das Sehenswerte an dieser Touristenattraktion sind die Spiegelung dieser in einer großen Brunnenanlage. Da der Brunnen zu Renovierungszwecken jedoch leer gepumpt ist lehnen wir es ab dafür Eintrittsgeld zu bezahlen. Auch der Besuch der Armenischen Kirche ist, dort angekommen, ein Reinfall da diese an diesem Tag geschlossen ist. Die nun zu viel übrige Zeit verbringen wir mit einem Picknick und werden spät Nachmittags von Aftab am Busbahnhof abgesetzt.

In etwa eineinhalb Tagen besichtigten wir die gesamte Stadt und haben nette sowie interessante Menschen getroffen, und Aftab. Als sich sein Auto entfernt ist Pollys und meine erste Handlung die Gleiche. Wir schnaufen einmal tief durch.

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