Freitag, 29. Juni 2012

Do you like Iran?

Ein Resümee.

Die Iraner sind die Könige des Smalltalks. Keineswegs schüchtern und dazu unglaublich neugierig. Unmöglich auszuweichen. Vor allem wenn man wie ich blonde Haare hat. Ich könnte ebenso eine 3-Meter hohe, blickende Leuchtreklame mit der Aufschrift „Tourist“ an meinem Rucksack installieren. Es wäre kein Unterschied. Ich weis nicht wie oft täglich ein Iraner, schon von weiten winkend, grinsend angelaufen kommt um stolz seine Englischkenntnisse zu präsentieren. Die Reihenfolge der Frage ist meist die selbe: What´s your name?, Where are you from?, How old are you?, Are you married? Dieser Frage folgen, meist verständnislos: Why are you not married?, Why you don´t have children? Kann sein dass vor lauter Aufregung manchmal etwas vergessen wird, doch eine Frage ist so sicher wie ein mehrstimmiges „Allah“ in einer Moschee. Ein Gespräch ohne diese Frage wäre im Iran einfach unvollständig. Sobald der Gesprächspartner dazu kommt sie endlich zu stellen versucht er, um deren Wichtigkeit zu unterstreichen, ein ernstes Gesicht aufzusetzen. Die Frage aller Fragen: „Do you like Iran?“

Die Iraner sind sich der negativen Darstellung ihres Landes in den westlichen Medien durchaus bewusst. Ebenso wie sie sich bewusst sind dass diese relativ wenig mit der Realität gemeinsam hat. Die Betonung liegt hierbei auf dem Wort Relativ. Sie ist nicht frei erfunden, doch abgebildete Realität ist meist subjektiv. Es kommt immer darauf an was man beleuchtet, vor allem aber auf welche Art und Weise. Und genau dabei liegt meines Erachtens das Problem mit den westlichen Medien. Sie sind einseitig und aufgrund deren Allgegenwärtigkeit ist es schwer sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Schlechte Nachrichten unterlegt man logischerweise nicht mit schönen Bildern, und gute Nachrichten sind bei Thema Iran nun mal nicht angebracht Einen unabhängigen Eindruck kann man durch die, oftmals auch kritische, Film- und Literaturszene eines Landes erhalten. Doch auch das ist beim Iran etwas schwierig denn die dortige Regierung ist ein Virtuose mit dem rotem Stift. Was mich im Iran erwartete wusste ich, als ich dessen Grenze überschritt, daher nicht wirklich. Gerne hätte ich die Unvoreingenommenheit meiner Reisepartnerin Polly besessen. Doch sie lebt in Australien, und dort bestehen die Nachrichten größtenteils aus Sportnachrichten und neugeboren Babys im Tierpark. Weltpolitik ist am anderen Ende der Welt ziemlich nebensächlich. Durch meinen Kopf schwirrten dagegen die Bilder von Wüsten. Von grauen, heruntergekommenen, dreckigen Städten. Von Provinzdörfern die man sonst irgendwo im Mittelalter ansiedeln würde. Von bis zur Unkenntlichkeit vermummten Frauen. Von, den Westen verachtenden, Fahnen verbrennenden, religiösen Fanatikern. Von demonstrierenden Jugendlichen die von Sicherheitskräften mit Knüppeln vertrieben werden. Kurz gesagt eigentlich nicht gerade das was man sich unter einem schönem Reiseland vorstellt.

Das alles stand im geradezu groteskem Widerspruch zu den Berichten die mir andere Reisende mit auf den Weg gaben: Ein Paradies für Reisende. Unglaublich schöne Städte und Landschaften. Die wohl freundlichsten und herzlichsten Menschen die es gibt. Wie recht sie damit haben erkenne ich schnell. Schon bei der ersten Busfahrt, von der Grenze in Richtung Teheran, klebe ich mit meiner Nase stundenlang am Fenster und staune über die Landschaft. Reisfelder. Überall. Zusammen mit den leuchtend grünen Hügelketten im Hintergrund ein Anblick den man normalerweise irgendwo in Südostasien ansiedeln würde. Und dann Teheran. Nicht wirklich eine saubere Stadt, aber welche Stadt mit über 12 Millionen Einwohnern ist das schon. Der völlige chaotische Basar mit seiner Jahrhunderte alten Tradition, die man manchmal eben auch sieht, ist ein Erlebnis für sich.

In Teheran bemerke ich dass erste Mal den Umgang der Iraner mit ihren Staatssystem. Für die Frauen herrscht Kleiderordnung. Ein Kopftuch dass eigentlich die Haare komplett verdecken muss. Ein knielanges Oberteil. Haut darf bis auf Gesicht und Hände nicht zu erkennen sein. Aufgrund dieser Regelungen entstand wohl auch ein etwas anderes Modebewusstsein. Alles ist Bunt. Die Oberteile, die Kopftücher, aber zu meinem Bedauern auch die Gesichter. Wie sehr sie mit den Vorschriften spielen sehe ich vor allem bei den Kopftüchern die manchmal nur vom Pferdeschwanz am Kopf gehalten werden und so, mehr oder weniger, nichts verdecken. Teheran ist jedoch eine Ausnahme da die Vorschriften hier etwas lascher gehandhabt werden als in anderen, mehr konservativen, Teilen des Landes.

Manche der Iranischen Vorschriften bemerkt man erst bei genauerer Betrachtung. Beispiel: Der Iran ist ein Land ohne Hunde. Aufgefallen ist mir dies erst nach einiger Zeit als ich in einer Wohnung sitze dessen Besitzerin illegal einen Hund hält und uns ihr Leid klagt. Nur nachts verlässt sie mit ihrem Dackel das Haus. Wird sie dabei erwischt wird der Hund an Ort und Stelle umgebracht. Auch während unseres Besuches versucht sie immer wieder, erfolglos, dem Hund beizubringen nicht zu bellen sobald die Türklingel ertönt. Der Grund für das Verbot: Der Prophet Mohammed hat Hunde einst als unreine Tiere gebrandmarkt.

Eines muss man der Iranischen Regierung lassen: Sie sind konsequent. Im Gegensatz zu den meisten anderen muslimisch geprägte Ländern werden Vorgaben hier umgesetzt. Keine Hunde und natürlich auch kein Alkohol. Die Strafe bei wiederholtem Übertreten dieses Gesetzes: Peitsche. Üblicherweise reicht es aber Polizisten ein paar Scheine in die Hand zu drücken. Ein Hoch auf die Korruption, denn ansonsten hätte wohl der Großteil der Iraner einen von Striemen überzogenem Rücken. Alkohol wird hoch geschätzt und da aufgrund des Verbotes keine Bars oder Discos, und damit kein Nachtleben, existieren wird eben zuhause getrunken und gefeiert. Und fast jeder, nicht religiöse, Iraner besitzt ein Sammlung an auserlesenen Getränken. Nicht religiös ist übrigens auch ein Verbrechen. Gästen wird dann stolz, illegal organisierter, teurer Whiskey oder Wodka angeboten. So kam es auch das ich etwas betrunken war als ich per Flugzeug das Land verließ.

Alles in allem sind die Iraner sehr gesellige Menschen. Aufgrund der fehlenden Möglichkeiten am Abend wird vieles auf den Tag verlegt. Meist äußert sich dies in einem Picknick. Shiraz, eine Stadt tief im Süden des Landes, hat dies zu seiner eigenen Kultur erkoren. Die Einwohner bezeichnen sich selbst, und voller Stolz, als faulste Einwohner des Iran. In dieser Stadt gibt es unzählige Gärten in denen jeder Quadratmeter für ein Picknick genutzt wird. Ist der Weg zu einem der Gärten zu weit wird eben der Grünstreifen einer Straße verwendet. Gras ist Gras und wie gesagt sie sind stolz darauf faul zu sein. In einem der Gärten veranstalten auch wir eines Tages ein Picknick. Nach kurzer Zeit kommt ein älterer Iraner zu uns und verwickelt uns in ein Gespräch. Sein Englisch ist nicht gut und daher ist die Themenauswahl seinerseits etwas limitiert. Die Frage aller Fragen kommt daher früher als üblich: Do you like Iran?

Ich denke an die all die Begegnungen mit freundlichen, offenherzigen Menschen die oftmals in einem System leben dass nicht wirklich für sie gemacht ist und dennoch durchweg positiv durchs Leben schreiten. Daran dass das Land sich selbst nach der turbulenten Geschichte der letzten 30 Jahre auf europäischem Entwicklungsniveau befindet und daher unglaublich angenehm zu bereisen ist. An die für mich völlig überwältigende, abwechslungsreiche Natur dieses Landes und wie sehr sie mich überrascht hat. Schließlich setze ich ein ernstes Gesicht auf um die Wichtigkeit meiner Antwort zu unterstreichen und sage ehrlich:
I don´t like it man, I love Iran.

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