Ein Resümee.
Die Iraner sind die Könige des
Smalltalks. Keineswegs schüchtern und dazu unglaublich neugierig.
Unmöglich auszuweichen. Vor allem wenn man wie ich blonde Haare hat.
Ich könnte ebenso eine 3-Meter hohe, blickende Leuchtreklame mit der
Aufschrift „Tourist“ an meinem Rucksack installieren. Es wäre
kein Unterschied. Ich weis nicht wie oft täglich ein Iraner, schon
von weiten winkend, grinsend angelaufen kommt um stolz seine
Englischkenntnisse zu präsentieren. Die Reihenfolge der Frage ist
meist die selbe: What´s your name?, Where are you from?, How old are
you?, Are you married? Dieser Frage folgen, meist verständnislos:
Why are you not married?, Why you don´t have children? Kann sein
dass vor lauter Aufregung manchmal etwas vergessen wird, doch eine
Frage ist so sicher wie ein mehrstimmiges „Allah“ in einer
Moschee. Ein Gespräch ohne diese Frage wäre im Iran einfach
unvollständig. Sobald der Gesprächspartner dazu kommt sie endlich
zu stellen versucht er, um deren Wichtigkeit zu unterstreichen, ein
ernstes Gesicht aufzusetzen. Die Frage aller Fragen: „Do you like
Iran?“
Die Iraner sind sich der negativen Darstellung ihres Landes in den westlichen Medien durchaus bewusst. Ebenso wie sie sich bewusst sind dass diese relativ wenig mit der Realität gemeinsam hat. Die Betonung liegt hierbei auf dem Wort Relativ. Sie ist nicht frei erfunden, doch abgebildete Realität ist meist subjektiv. Es kommt immer darauf an was man beleuchtet, vor allem aber auf welche Art und Weise. Und genau dabei liegt meines Erachtens das Problem mit den westlichen Medien. Sie sind einseitig und aufgrund deren Allgegenwärtigkeit ist es schwer sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Schlechte Nachrichten unterlegt man logischerweise nicht mit schönen Bildern, und gute Nachrichten sind bei Thema Iran nun mal nicht angebracht Einen unabhängigen Eindruck kann man durch die, oftmals auch kritische, Film- und Literaturszene eines Landes erhalten. Doch auch das ist beim Iran etwas schwierig denn die dortige Regierung ist ein Virtuose mit dem rotem Stift. Was mich im Iran erwartete wusste ich, als ich dessen Grenze überschritt, daher nicht wirklich. Gerne hätte ich die Unvoreingenommenheit meiner Reisepartnerin Polly besessen. Doch sie lebt in Australien, und dort bestehen die Nachrichten größtenteils aus Sportnachrichten und neugeboren Babys im Tierpark. Weltpolitik ist am anderen Ende der Welt ziemlich nebensächlich. Durch meinen Kopf schwirrten dagegen die Bilder von Wüsten. Von grauen, heruntergekommenen, dreckigen Städten. Von Provinzdörfern die man sonst irgendwo im Mittelalter ansiedeln würde. Von bis zur Unkenntlichkeit vermummten Frauen. Von, den Westen verachtenden, Fahnen verbrennenden, religiösen Fanatikern. Von demonstrierenden Jugendlichen die von Sicherheitskräften mit Knüppeln vertrieben werden. Kurz gesagt eigentlich nicht gerade das was man sich unter einem schönem Reiseland vorstellt.
Das alles stand im geradezu groteskem
Widerspruch zu den Berichten die mir andere Reisende mit auf den Weg
gaben: Ein Paradies für Reisende. Unglaublich schöne Städte und
Landschaften. Die wohl freundlichsten und herzlichsten Menschen die
es gibt. Wie recht sie damit haben erkenne ich schnell. Schon bei der
ersten Busfahrt, von der Grenze in Richtung Teheran, klebe ich mit
meiner Nase stundenlang am Fenster und staune über die Landschaft.
Reisfelder. Überall. Zusammen mit den leuchtend grünen Hügelketten
im Hintergrund ein Anblick den man normalerweise irgendwo in
Südostasien ansiedeln würde. Und dann Teheran. Nicht wirklich eine
saubere Stadt, aber welche Stadt mit über 12 Millionen Einwohnern
ist das schon. Der völlige chaotische Basar mit seiner Jahrhunderte
alten Tradition, die man manchmal eben auch sieht, ist ein Erlebnis
für sich.
In Teheran bemerke ich dass erste Mal
den Umgang der Iraner mit ihren Staatssystem. Für die Frauen
herrscht Kleiderordnung. Ein Kopftuch dass eigentlich die Haare
komplett verdecken muss. Ein knielanges Oberteil. Haut darf bis auf
Gesicht und Hände nicht zu erkennen sein. Aufgrund dieser Regelungen
entstand wohl auch ein etwas anderes Modebewusstsein. Alles ist Bunt.
Die Oberteile, die Kopftücher, aber zu meinem Bedauern auch die
Gesichter. Wie sehr sie mit den Vorschriften spielen sehe ich vor
allem bei den Kopftüchern die manchmal nur vom Pferdeschwanz am Kopf
gehalten werden und so, mehr oder weniger, nichts verdecken. Teheran
ist jedoch eine Ausnahme da die Vorschriften hier etwas lascher
gehandhabt werden als in anderen, mehr konservativen, Teilen des
Landes.
Manche der
Iranischen Vorschriften bemerkt man erst bei genauerer Betrachtung.
Beispiel: Der Iran ist ein Land ohne Hunde. Aufgefallen ist
mir dies erst nach einiger Zeit als ich in einer Wohnung sitze dessen
Besitzerin illegal einen Hund hält und uns ihr Leid klagt. Nur
nachts verlässt sie mit ihrem Dackel das Haus. Wird sie dabei
erwischt wird der Hund an Ort und Stelle umgebracht. Auch während
unseres Besuches versucht sie immer wieder, erfolglos, dem Hund
beizubringen nicht zu bellen sobald die Türklingel ertönt. Der
Grund für das Verbot: Der Prophet Mohammed hat Hunde einst als
unreine Tiere gebrandmarkt.
Eines muss man
der Iranischen Regierung lassen: Sie sind konsequent. Im Gegensatz zu
den meisten anderen muslimisch geprägte Ländern werden Vorgaben
hier umgesetzt. Keine Hunde und natürlich auch kein Alkohol. Die
Strafe bei wiederholtem Übertreten dieses Gesetzes: Peitsche.
Üblicherweise reicht es aber Polizisten ein paar Scheine in die Hand
zu drücken. Ein Hoch auf die Korruption, denn ansonsten hätte wohl
der Großteil der Iraner einen von Striemen überzogenem Rücken.
Alkohol wird hoch geschätzt und da aufgrund des Verbotes keine Bars
oder Discos, und damit kein Nachtleben, existieren wird eben zuhause
getrunken und gefeiert. Und fast jeder, nicht religiöse, Iraner
besitzt ein Sammlung an auserlesenen Getränken. Nicht religiös ist
übrigens auch ein Verbrechen. Gästen wird dann stolz, illegal
organisierter, teurer Whiskey oder Wodka angeboten. So kam es auch
das ich etwas betrunken war als ich per Flugzeug das Land verließ.
Alles in allem
sind die Iraner sehr gesellige Menschen. Aufgrund der fehlenden Möglichkeiten
am Abend wird vieles auf den Tag verlegt. Meist äußert sich dies in
einem Picknick. Shiraz, eine Stadt tief im Süden des Landes, hat
dies zu seiner eigenen Kultur erkoren. Die Einwohner bezeichnen sich
selbst, und voller Stolz, als faulste Einwohner des Iran. In dieser
Stadt gibt es unzählige Gärten in denen jeder Quadratmeter für ein
Picknick genutzt wird. Ist der Weg zu einem der Gärten zu weit wird
eben der Grünstreifen einer Straße verwendet. Gras ist Gras und wie
gesagt sie sind stolz darauf faul zu sein. In einem der Gärten
veranstalten auch wir eines Tages ein Picknick. Nach kurzer Zeit
kommt ein älterer Iraner zu uns und verwickelt uns in ein Gespräch.
Sein Englisch ist nicht gut und daher ist die Themenauswahl
seinerseits etwas limitiert. Die Frage aller Fragen kommt daher
früher als üblich: Do you like Iran?
Ich denke an die
all die Begegnungen mit freundlichen, offenherzigen Menschen die
oftmals in einem System leben dass nicht wirklich für sie gemacht
ist und dennoch durchweg positiv durchs Leben schreiten. Daran dass
das Land sich selbst nach der turbulenten Geschichte der letzten 30 Jahre auf europäischem Entwicklungsniveau befindet und daher
unglaublich angenehm zu bereisen ist. An die für mich völlig
überwältigende, abwechslungsreiche Natur dieses Landes und wie sehr
sie mich überrascht hat. Schließlich
setze ich ein ernstes Gesicht auf um die Wichtigkeit meiner Antwort
zu unterstreichen und sage ehrlich:
I don´t like it man, I love Iran.
I don´t like it man, I love Iran.
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