Konsul Casting
Chinesen
errichten Mauern. Das können sie seit jeher sehr gut. Doch wo sie
früher Steine benutzten um Barbaren aus dem Reich der Mitte
fernzuhalten, benutzen sie heute Stift und Papier. Sie erstellen
Regeln und Vorschriften mit denen sie versuchen den unerwünschten
Besuchern die Einreise zu verwehren. Doch wie die Nomadenvölker
früher Zeit versuchen es auch die heutigen Nomaden, Rad- und
Individualtouristen, mit allen Tricks die Sicherheitsvorkehrungen
Chinas zu umgehen.
Es beginnt mit
einer Internetrecherche. Um China zu bereisen braucht man ein vorher
genehmigtes Visa. Es stellt sich die Frage woher man dieses bekommt.
Normalerweise ist der Weg des geringsten Wiederstandes sich dass
chinesischen Visa im eigenen Land zu organisieren. Davon bin ich weit
entfernt. Doch alle Reiseforen sind sich zu diesem Zeitpunkt einig:
Wenn es irgendwo in Zentral Asien ohne größere Probleme möglich
ist dann in Taschkent in Usbekistan. Hinweise zur Vollständigkeit:
Erwähne niemals dass du ein Fahrrad besitzt und erwähne niemals
dass du auf dem Landweg einreisen willst. China mag keine Touristen
im westlichen Teil des Landes. Wie Tibet im Süden ist es ein etwas
problematisches Gebiet. Immer wieder gibt es Probleme mit der
Uigurischen Bevölkerung die den Zentralasiatischen Turkvölkern
näher steht als den den herrschenden Machthabern im Osten. Am besten
wäre es man fliegt nach Peking, sieht sich die große Mauer an,
bewundert diesen großen Einfallsreichtum, und fliegt wieder nach
Hause. Das mögen die Chinesen. Klar ist aber auch hat dass man,
sobald man das Visa im Reisepass hat machen kann was man will. Doch
bis dahin ist es für mich noch ein weiter Weg.
In einem Hostel
in Taschkent angekommen treffe ich auf einige Reisende die wohl den
selben Plan haben, doch sehe ich nur lange Gesichter. Teils sitzen
sie dort seit Tagen und warten auf eine Entscheidung der chinesischen
Botschaft, während andere bereits entnervt ihre Rucksäcke packen
und verärgert abziehen. Scheint nicht mehr so einfach zu
funktionieren wie erhofft. Schnell stellt
sich heraus dass alle, die es auf eigene Faust probiert haben,
kommentarlos abgelehnt wurden. Doch dann ein Lichtblick. Ein junger
Franzose berichtet mir dass er sein Visum mithilfe einer Reiseagentur
erhalten hat. Auch bei anderen Reisenden keimt Hoffnung auf. Am
nächsten Tag besuchen die meisten der zuvor schon abgewiesenen
selbige Reiseagentur. Ich beschließe dagegen etwas abzuwarten und
den Vorgang etwas weiter zu beobachten. Es stellt sich heraus das
dies eine weise Entscheidung ist, denn das Konsulat lehnt in den
folgenden Tagen alle Antragssteller die es zuvor schon persönlich
versucht hatten erneut und endgültig ab. Ebenso aber auch jene die
direkt den Weg zur Agentur gewählt haben, denn nun werden aufgrund
der Häufigkeit die, nicht wirklich Wahrheitsgemäß angegebenen,
Reisepläne hinterfragt. Vor allem bei den Radfahrern wird gefragt
warum sie denn ein Visa mit 90 Tagen Gültigkeit benötigen obwohl
sie doch laut Antragsbogen mit dem Flugzeug einreisen wollen. Es wird
klar dass ich wohl nur einen Versuch habe und dieser muss gut
vorbereitet sein.
Am nächsten Tag
mache ich mich selbst auf den Weg zur Reiseagentur um meine
Möglichkeiten auszuloten. Der freundlich Angestellte klärt mich
dann über die, auch für ihn, neue Situation im Konsulat auf. Zwei
Wochen zuvor ging der alt angestammte Konsul in Rente, und damit auch
dass bis dahin einfache Visaverfahren. Nun sitzen dort drei junge,
ehrgeizige Konsul-Anwärter die um den den selben Posten buhlen. Und
wie verschafft man sich gegenüber seinen Kontrahenten einen Vorteil?
Man überprüft genauestens deren Arbeit, sowie die Arbeit des
Vorgängers. Heraus kommt dabei ein System indem es so wirkt als
würde zwischen den dreien ein Wettstreit entbrennen, bei dem es nur
darum geht am meisten Antragssteller abzulehnen. Doch auch der
Agenturangestellte ist inzwischen besser auf die neue Situation
eingestellt und äußerst gewillt einen generell gültigen Lösungsweg
herauszufinden. Zusammen erstellen wir einen Plan. Während er mir
eine fiktive Flugbuchung organisiert, kümmere ich mich um eine
ebenso fiktive Hotelbuchung und um einen offiziell wirkenden Nachweis
einer vorhanden Arbeitsstelle. Arbeitslose mögen die Chinesen
nämlich auch nicht. Dass der Flug fiktiv schon ein paar Tage später
startet, um den Möchtegern Konsuln den Grund dazulegen warum ich das
Visa hier und jetzt aus Taschkent, und nicht etwa aus Kyrgyzstan,
benötige kreiert ein neues Problem. Sie werden mir in diesem Fall
ein kein 90 Tage gültiges Visa geben, was ich wiederum aber benötige
da ich reell vor China noch Tajikistan, Kyrgyztan und Kasachstan
bereisen werde. Wir finden schließlich eine Lösung. Ich beantrage
ein Visa mit zweimaliger Einreise für je 30 Tage anstatt der
einmaligen 60 Tage. Hierfür müssen sie mir wiederum den erweiterten
Spielraum geben, denn die mögliche Gültigkeitsdauer beläuft sich
auf 30 Tage oder eben jene 90 Tage. Ich freunde mich schnell mit
diesem Visum an zwingt es mich doch nahezu ein weiteres Land zu
bereisen. Japan, Taiwan, die Mongolei oder doch nur kurz nach
Hongkong oder Macau? Kann ich später immer noch entscheiden.
Mit all den
erfunden Dokumenten läuft der emsige Agenturangestellte am nächsten
Tag zum Konsulat und für mich beginnt die bange Wartezeit. Als ich
ihn am Abend anrufe und den Stand der Dinge erfahren will könnte die
Nachricht eine bessere sein. Prinzipiell sind sie mit dem Antrag
zufrieden doch hat das Flugticket keine offizielle wasweisich Nummer.
Doch sie haben sich darauf geeinigt dies zu auszubessern und am
nächsten Tag den Antrag nochmals durchzugehen. Auch wenn ich in
diesem Moment befürchte dass sie dann nur wieder etwas neues finden,
es ist besser als abgelehnt. Meine Misstrauen ist unbegründet, am
nächsten Tag erhalte ich den erhofften Anruf des überaus
stolzen Visahelfers. In drei Tagen kann ich mir mein Visa abholen.
Dass sind gute Nachrichten! In der selben Woche erhalten neben mir
noch ein paar andere Reisende mit dem gleichen Verfahren ihre
chinesischen Visa. Kurz nachdem ich meinen Reisepass freudig in den
Händen halte schließt sich das Zeitfenster jedoch. Das Konsulartrio
hat den Vorgang wohl durchschaut und verbietet der Agentur fortan
weitere Anträge einzureichen. Wieder sehe ich lange Gesichter im
Hostel.
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