Donnerstag, 9. August 2012

drei Chinesen ohne Kontrabass

Konsul Casting

Chinesen errichten Mauern. Das können sie seit jeher sehr gut. Doch wo sie früher Steine benutzten um Barbaren aus dem Reich der Mitte fernzuhalten, benutzen sie heute Stift und Papier. Sie erstellen Regeln und Vorschriften mit denen sie versuchen den unerwünschten Besuchern die Einreise zu verwehren. Doch wie die Nomadenvölker früher Zeit versuchen es auch die heutigen Nomaden, Rad- und Individualtouristen, mit allen Tricks die Sicherheitsvorkehrungen Chinas zu umgehen.

Es beginnt mit einer Internetrecherche. Um China zu bereisen braucht man ein vorher genehmigtes Visa. Es stellt sich die Frage woher man dieses bekommt. Normalerweise ist der Weg des geringsten Wiederstandes sich dass chinesischen Visa im eigenen Land zu organisieren. Davon bin ich weit entfernt. Doch alle Reiseforen sind sich zu diesem Zeitpunkt einig: Wenn es irgendwo in Zentral Asien ohne größere Probleme möglich ist dann in Taschkent in Usbekistan. Hinweise zur Vollständigkeit: Erwähne niemals dass du ein Fahrrad besitzt und erwähne niemals dass du auf dem Landweg einreisen willst. China mag keine Touristen im westlichen Teil des Landes. Wie Tibet im Süden ist es ein etwas problematisches Gebiet. Immer wieder gibt es Probleme mit der Uigurischen Bevölkerung die den Zentralasiatischen Turkvölkern näher steht als den den herrschenden Machthabern im Osten. Am besten wäre es man fliegt nach Peking, sieht sich die große Mauer an, bewundert diesen großen Einfallsreichtum, und fliegt wieder nach Hause. Das mögen die Chinesen. Klar ist aber auch hat dass man, sobald man das Visa im Reisepass hat machen kann was man will. Doch bis dahin ist es für mich noch ein weiter Weg.

In einem Hostel in Taschkent angekommen treffe ich auf einige Reisende die wohl den selben Plan haben, doch sehe ich nur lange Gesichter. Teils sitzen sie dort seit Tagen und warten auf eine Entscheidung der chinesischen Botschaft, während andere bereits entnervt ihre Rucksäcke packen und verärgert abziehen. Scheint nicht mehr so einfach zu funktionieren wie erhofft. Schnell stellt sich heraus dass alle, die es auf eigene Faust probiert haben, kommentarlos abgelehnt wurden. Doch dann ein Lichtblick. Ein junger Franzose berichtet mir dass er sein Visum mithilfe einer Reiseagentur erhalten hat. Auch bei anderen Reisenden keimt Hoffnung auf. Am nächsten Tag besuchen die meisten der zuvor schon abgewiesenen selbige Reiseagentur. Ich beschließe dagegen etwas abzuwarten und den Vorgang etwas weiter zu beobachten. Es stellt sich heraus das dies eine weise Entscheidung ist, denn das Konsulat lehnt in den folgenden Tagen alle Antragssteller die es zuvor schon persönlich versucht hatten erneut und endgültig ab. Ebenso aber auch jene die direkt den Weg zur Agentur gewählt haben, denn nun werden aufgrund der Häufigkeit die, nicht wirklich Wahrheitsgemäß angegebenen, Reisepläne hinterfragt. Vor allem bei den Radfahrern wird gefragt warum sie denn ein Visa mit 90 Tagen Gültigkeit benötigen obwohl sie doch laut Antragsbogen mit dem Flugzeug einreisen wollen. Es wird klar dass ich wohl nur einen Versuch habe und dieser muss gut vorbereitet sein.

Am nächsten Tag mache ich mich selbst auf den Weg zur Reiseagentur um meine Möglichkeiten auszuloten. Der freundlich Angestellte klärt mich dann über die, auch für ihn, neue Situation im Konsulat auf. Zwei Wochen zuvor ging der alt angestammte Konsul in Rente, und damit auch dass bis dahin einfache Visaverfahren. Nun sitzen dort drei junge, ehrgeizige Konsul-Anwärter die um den den selben Posten buhlen. Und wie verschafft man sich gegenüber seinen Kontrahenten einen Vorteil? Man überprüft genauestens deren Arbeit, sowie die Arbeit des Vorgängers. Heraus kommt dabei ein System indem es so wirkt als würde zwischen den dreien ein Wettstreit entbrennen, bei dem es nur darum geht am meisten Antragssteller abzulehnen. Doch auch der Agenturangestellte ist inzwischen besser auf die neue Situation eingestellt und äußerst gewillt einen generell gültigen Lösungsweg herauszufinden. Zusammen erstellen wir einen Plan. Während er mir eine fiktive Flugbuchung organisiert, kümmere ich mich um eine ebenso fiktive Hotelbuchung und um einen offiziell wirkenden Nachweis einer vorhanden Arbeitsstelle. Arbeitslose mögen die Chinesen nämlich auch nicht. Dass der Flug fiktiv schon ein paar Tage später startet, um den Möchtegern Konsuln den Grund dazulegen warum ich das Visa hier und jetzt aus Taschkent, und nicht etwa aus Kyrgyzstan, benötige kreiert ein neues Problem. Sie werden mir in diesem Fall ein kein 90 Tage gültiges Visa geben, was ich wiederum aber benötige da ich reell vor China noch Tajikistan, Kyrgyztan und Kasachstan bereisen werde. Wir finden schließlich eine Lösung. Ich beantrage ein Visa mit zweimaliger Einreise für je 30 Tage anstatt der einmaligen 60 Tage. Hierfür müssen sie mir wiederum den erweiterten Spielraum geben, denn die mögliche Gültigkeitsdauer beläuft sich auf 30 Tage oder eben jene 90 Tage. Ich freunde mich schnell mit diesem Visum an zwingt es mich doch nahezu ein weiteres Land zu bereisen. Japan, Taiwan, die Mongolei oder doch nur kurz nach Hongkong oder Macau? Kann ich später immer noch entscheiden.

Mit all den erfunden Dokumenten läuft der emsige Agenturangestellte am nächsten Tag zum Konsulat und für mich beginnt die bange Wartezeit. Als ich ihn am Abend anrufe und den Stand der Dinge erfahren will könnte die Nachricht eine bessere sein. Prinzipiell sind sie mit dem Antrag zufrieden doch hat das Flugticket keine offizielle wasweisich Nummer. Doch sie haben sich darauf geeinigt dies zu auszubessern und am nächsten Tag den Antrag nochmals durchzugehen. Auch wenn ich in diesem Moment befürchte dass sie dann nur wieder etwas neues finden, es ist besser als abgelehnt. Meine Misstrauen ist unbegründet, am nächsten Tag erhalte ich den erhofften Anruf des überaus stolzen Visahelfers. In drei Tagen kann ich mir mein Visa abholen. Dass sind gute Nachrichten! In der selben Woche erhalten neben mir noch ein paar andere Reisende mit dem gleichen Verfahren ihre chinesischen Visa. Kurz nachdem ich meinen Reisepass freudig in den Händen halte schließt sich das Zeitfenster jedoch. Das Konsulartrio hat den Vorgang wohl durchschaut und verbietet der Agentur fortan weitere Anträge einzureichen. Wieder sehe ich lange Gesichter im Hostel.

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