Samstag, 18. August 2012

Geschüttelt, nicht gerührt.

Durch Höhle und Waschmaschine

Von der nördlichst gelegenen Stadt Tadschikistans, Khojand zur Hauptstadt Dushanbe sind es knapp 350 Kilometer. Um diese zu bewältigen wird normalerweise geflogen. Hart gesottene, knausrige und/oder neugierige Touristen nehmen die einzige existierende Straße. Als wir diesen Teil mithilfe nicht ganz aktueller Informationen planen erhalten wir folgende Eckdaten: Knapp 8 Stunden Fahrzeit. 2 Bergpässe mit Höhen von je 3400 Metern. Aufgrund der schlechten Straßen nichts für sanfte Gemüter. Hört sich in diesem Moment nach einem guten Vorgeschmack auf tadschikische Straßenverhältnisse an, wird aber zur einer Erfahrung die seines Gleichen sucht und auf zwei Streckenabschnitten den Ausdruck einer „schlechten Straße“ für mich neu definiert.

Kurz nachdem Polly und ich die Grenze von Usbekistan nach Tadschikistan überschritten haben sind wir in Khojand auf der Suche nach einem Transportmittel das uns nach Dushanbe bringen soll. Die scheinbar günstigste Variante ist ein, mit anderen Personen, geteiltes Taxi. Während wir mit dem Fahrer über den Preis verhandeln kommen jedoch ein paar Passanten hinzu und fangen, auf tadschikisch, einen Streit mit dem Fahrer an. Worum es dabei geht verstehen weder Polly noch ich aber der Fahrer drückt uns kurz darauf kleinlaut unsere Rucksäcke, die er bereits in seinem Kofferraum hatte, in die Hand. Wie gerne hätte ich diesen Disput verstanden, der einen Taxifahrer dazu bringt seine bereits eingefangenen Kunden wieder abzugeben. Anschließen reden sie uns ein dass es besser ist einen Platz einen in einem Jeep zu organisieren. Die Straße nach Dushanbe soll sich in einem fragwürdigen Zustand befinden und daher ist eine Fahrt in einem normalen Auto keineswegs zu empfehlen. Überredet finden wir schließlich einen Jeep indem ein Platz, nach zähem verhandeln, nahezu das selbe kostet. Anstatt der vier Personen im Taxi hat der Jeep Platz für 6-7 Personen und daher ist der Fahrer wohl auch gewillt den Preis zu akzeptieren. Dafür erhalten wir auch die denkbar schlechtesten Plätze. Auf der eingefügten Sitzreihe, hinter der eigentlichen Rückbank. Nach europäischem Verständnis hätten hier 2 Personen platz, in Tadschikistan kann man froh sein wenn es keine 4 sind. Das unbequemste daran ist aber, wie ich leider erst später bemerke, die niedrige Sitzposition und die daraus entstehenden Knieschmerzen.

Nach den ersten knapp 100km frage ich mich warum wir bloß das bequem wirkende Taxi ausgeschlagen haben. Eine nahezu neu geteerte Straße bringt uns schnell voran. Dies ändert sich jedoch schlagartig als wir den Beginn des ersten Bergpasses erreichen. Die Straße endet vor einem, sich im Bau befindlichen, Tunnel. Davon zweigt die alte Straße ab für die es nur ein Wort gibt: Staubpiste. Diese schlängelt sich in Serpentinen den Berg hinauf. Von den Mitfahrern erfahren wir dass ein Tunnel beim zweiten Bergpass bereits fertiggestellt ist, und auch dass der jetzt kommende Teil liebevoll „die Waschmaschine“ genannt wird. Schnell wird klar warum wir froh sein können den Jeep gewählt zu haben. Durch übergroße Schlaglöcher kämpfen wir uns langsam den Berg hinauf, sind aber dennoch zigfach schneller als die normalen Autos und Lastwagen, die hier um jeden Meter kämpfen müssen. Einen Achsenbruch scheint bei den gegenwärtigen Höhenunterschieden, selbst innerhalb eines Meters, geradezu vorprogrammiert.

Je weiter wir nach oben kommen desto schmaler wird die nicht befestige, in den Fels gehauene, Straße. Reifenspuren reichen bis zu zwei Zentimeter an den Rand des steilen Abhangs. Dass dies manchmal schief gehen kann bemerke ich spätestens als ich durch das Fenster einen Blick in unten liegende Schlucht werfe und 6 völlig zerstörte Autowracks zähle. Zerstört ist hierbei noch milde ausgedrückt, die Auto sehen aus als wären sie von einer Schrottpresse zusammengedrückt, anschließend wieder auseinander gezogen und schließlich wie ein ein Handtuch aus gewunden worden. Vielleicht kommt daher der Ausdruck Waschmaschine. Teilnahmslos bemerkt einer der Mitfahrer, der wohl meinen Blick, oder mein Schlucken bemerkt hatte, dass auf diesem Teil der Strecke jeden Winter durchschnittlich 10 Jeeps verloren gehen. Nur ein einziger Gedanke schießt mir in den Kopf. Nicht etwa dass 10 Jeeps 80 Tote Menschen bedeuten, es ist vielmehr dass generelle Unverständnis wie diese Verrückten im Winter hier überhaupt fahren können. Doch was wundere ich mich eigentlich? Kurz nachdem wir einen gerade umgestürzten Lastwagen, der nur mit viel Glück nicht den Abhang heruntergerutscht ist, passieren steht am Straßenrand ein völlig deplaziert wirkender SMART. Auf der anderen Seite des Passes das selbe Bild. Keine einzige erkennbare Sicherung der Straße und wieder, inzwischen nicht mehr zählbare, Wracks von abgestürzten Autos. Nachdem wir endlich den Boden des Passes erreichen, lehne ich mich entspannt zurück. Den schlimmsten Teil der Strecke haben wir überstanden, den zweiten Pass gibt es aufgrund des fertigen Tunnels nicht mehr.

Noch immer habe ich scheinbar nicht begriffen das es einen Unterschied zwischen tadschikischen und allen anderen Definitionen gibt. Was sie hier Straße nennen ist eine Staubpiste. Was sie hier Tunnel nennen ist in Wirklichkeit... eine Höhle. Der hochgepriesene Tunnel unter dem zweiten Bergpass hindurch ist stockdunkel, nur durch das Licht der Scheinwerfer lassen sich die grob in den Fels gehauenen Konturen erkennen. Der Boden ist nicht geteert und mit den gleichen Schlaglöchern versehen die es bereits am ersten Bergpass zu bewundern gab. Hier gibt es aber noch dazu die Schwierigkeit dass man die Löcher nicht sieht da die gesamte Höhle 20-30 Zentimeter unter Wasser steht. Mein Geschichtenerzähler nebenan hat dazu, nachdem wir dass ersehnte Ende erreichen, natürlich auch wieder eine Geschichte auf Lager: Gestartet wurde der Bau des Tunnels noch in der Sowjetzeit. Dann brach diese zusammen und es war kein dadurch kein Geld mehr vorhanden. Der Bau wurde gestoppt. 10 Jahre später wurde eine Iranische Firma beauftragt den Bau weiterzuführen. Diese erkannte jedoch das die Sowjets eine völlige ungeeignete Stelle wählten da das Gestein äußerst porös ist. Die Bauarbeiten für eine sicheren Tunnel, der nicht immer wieder zusammenbricht, würde daher wohl bis in alle Ewigkeit dauern. Das dauerte der tadschikischen Regierung zulange. Sie verlangten eine schnelle Freigabe für die öffentliche Benutzung, die andere Seite war ja schließlich schon erreicht. Die Iranische Baufirma tat dies schließlich, aufgrund hohen Druckes, lehnte aber jegliche Verantwortung ab. Der tadschikischen Regierung war dies egal und kurz darauf fuhren unzählige Auto durch eine kilometerlang unbelüftete, nahezu unbefestigte Höhle. Die größte Gefahr ist jedoch nicht das Gestein sondern die fehlende Belüftung. Eine simple Autopanne und ein dadurch entstehender Stau innerhalb des Tunnels hat verheerende Auswirkungen. Noch bevor die wartenden Lastwagen ihre Motoren abstellen sterben üblicherweise die ersten Menschen an einer Kohlenmonoxid Vergiftung.

Nun kann man davon ausgehen dass nach Europäischem Verständnis diese Stecke definitiv niemals für den öffentlichen Verkehr freigegeben würde. In Tadschikistan ist es jedoch die einzige Verbindung, abgesehen von teuren Flugverbindungen, von den nördlichen Provinzen in Richtung Süden. Für viele Einwohner ist diese Strecke lebensnotwendig. Die Höhle mag nicht gerade sicher wirken, ist aber dennoch ein Fortschritt zum, ebenfalls unsicheren, vorherigen Bergpass. Zudem verkürzt sie die Fahrzeit um knapp zwei Stunden. Gerade deshalb ist es ein guter Vorgeschmack auf das kommende. Im zu 60% aus Hochgebirgen bestehenden Tadschikistan ist das Leben nicht einfach.










Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen