Durch Höhle und Waschmaschine
Von der
nördlichst gelegenen Stadt Tadschikistans, Khojand zur Hauptstadt
Dushanbe sind es knapp 350 Kilometer. Um diese zu bewältigen wird
normalerweise geflogen. Hart gesottene, knausrige und/oder neugierige
Touristen nehmen die einzige existierende Straße. Als wir diesen
Teil mithilfe nicht ganz aktueller Informationen planen erhalten wir
folgende Eckdaten: Knapp 8 Stunden Fahrzeit. 2 Bergpässe mit Höhen
von je 3400 Metern. Aufgrund der schlechten Straßen nichts für
sanfte Gemüter. Hört sich in diesem Moment nach einem guten
Vorgeschmack auf tadschikische Straßenverhältnisse an, wird aber
zur einer Erfahrung die seines Gleichen sucht und auf zwei
Streckenabschnitten den Ausdruck einer „schlechten Straße“ für
mich neu definiert.
Kurz nachdem
Polly und ich die Grenze von Usbekistan nach Tadschikistan
überschritten haben sind wir in Khojand auf der Suche nach einem
Transportmittel das uns nach Dushanbe bringen soll. Die scheinbar
günstigste Variante ist ein, mit anderen Personen, geteiltes Taxi.
Während wir mit dem Fahrer über den Preis verhandeln kommen jedoch
ein paar Passanten hinzu und fangen, auf tadschikisch, einen Streit
mit dem Fahrer an. Worum es dabei geht verstehen weder Polly noch ich
aber der Fahrer drückt uns kurz darauf kleinlaut unsere Rucksäcke,
die er bereits in seinem Kofferraum hatte, in die Hand. Wie gerne
hätte ich diesen Disput verstanden, der einen Taxifahrer dazu bringt
seine bereits eingefangenen Kunden wieder abzugeben. Anschließen
reden sie uns ein dass es besser ist einen Platz einen in einem Jeep
zu organisieren. Die Straße nach Dushanbe soll sich in einem
fragwürdigen Zustand befinden und daher ist eine Fahrt in einem
normalen Auto keineswegs zu empfehlen. Überredet finden wir
schließlich einen Jeep indem ein Platz, nach zähem verhandeln,
nahezu das selbe kostet. Anstatt der vier Personen im Taxi hat der
Jeep Platz für 6-7 Personen und daher ist der Fahrer wohl auch
gewillt den Preis zu akzeptieren. Dafür erhalten wir auch die
denkbar schlechtesten Plätze. Auf der eingefügten Sitzreihe, hinter
der eigentlichen Rückbank. Nach europäischem Verständnis hätten
hier 2 Personen platz, in Tadschikistan kann man froh sein wenn es
keine 4 sind. Das unbequemste daran ist aber, wie ich leider erst
später bemerke, die niedrige Sitzposition und die daraus
entstehenden Knieschmerzen.
Nach den ersten
knapp 100km frage ich mich warum wir bloß das bequem wirkende Taxi
ausgeschlagen haben. Eine nahezu neu geteerte Straße bringt uns
schnell voran. Dies ändert sich jedoch schlagartig als wir den
Beginn des ersten Bergpasses erreichen. Die Straße endet vor einem,
sich im Bau befindlichen, Tunnel. Davon zweigt die alte Straße ab für
die es nur ein Wort gibt: Staubpiste. Diese schlängelt sich in
Serpentinen den Berg hinauf. Von den Mitfahrern erfahren wir dass ein
Tunnel beim zweiten Bergpass bereits fertiggestellt ist, und auch dass
der jetzt kommende Teil liebevoll „die Waschmaschine“ genannt
wird. Schnell wird klar warum wir froh sein können den Jeep gewählt
zu haben. Durch übergroße Schlaglöcher kämpfen wir uns langsam
den Berg hinauf, sind aber dennoch zigfach schneller als die normalen
Autos und Lastwagen, die hier um jeden Meter kämpfen müssen. Einen
Achsenbruch scheint bei den gegenwärtigen Höhenunterschieden,
selbst innerhalb eines Meters, geradezu vorprogrammiert.
Je weiter wir
nach oben kommen desto schmaler wird die nicht befestige, in den Fels
gehauene, Straße. Reifenspuren reichen bis zu zwei Zentimeter an den
Rand des steilen Abhangs. Dass dies manchmal schief gehen kann
bemerke ich spätestens als ich durch das Fenster einen Blick in
unten liegende Schlucht werfe und 6 völlig zerstörte Autowracks
zähle. Zerstört ist hierbei noch milde ausgedrückt, die Auto sehen
aus als wären sie von einer Schrottpresse zusammengedrückt,
anschließend wieder auseinander gezogen und schließlich wie ein ein
Handtuch aus gewunden worden. Vielleicht kommt daher der Ausdruck
Waschmaschine. Teilnahmslos bemerkt einer der Mitfahrer, der wohl
meinen Blick, oder mein Schlucken bemerkt hatte, dass auf diesem Teil
der Strecke jeden Winter durchschnittlich 10 Jeeps verloren gehen.
Nur ein einziger Gedanke schießt mir in den Kopf. Nicht etwa dass
10 Jeeps 80 Tote Menschen bedeuten, es ist vielmehr dass generelle
Unverständnis wie diese Verrückten im Winter hier überhaupt fahren
können. Doch was wundere
ich mich eigentlich? Kurz nachdem wir einen gerade umgestürzten
Lastwagen, der nur mit viel Glück nicht den Abhang heruntergerutscht
ist, passieren steht am Straßenrand ein völlig deplaziert wirkender SMART. Auf der anderen
Seite des Passes das selbe Bild. Keine einzige erkennbare Sicherung
der Straße und wieder, inzwischen nicht mehr zählbare, Wracks von
abgestürzten Autos. Nachdem wir endlich den Boden des Passes
erreichen, lehne ich mich entspannt zurück. Den schlimmsten Teil der
Strecke haben wir überstanden, den zweiten Pass gibt es aufgrund des
fertigen Tunnels nicht mehr.
Noch immer habe
ich scheinbar nicht begriffen das es einen Unterschied zwischen
tadschikischen und allen anderen Definitionen gibt. Was sie hier
Straße nennen ist eine Staubpiste. Was sie hier Tunnel nennen ist
in Wirklichkeit... eine Höhle. Der hochgepriesene Tunnel unter dem
zweiten Bergpass hindurch ist stockdunkel, nur durch das Licht der
Scheinwerfer lassen sich die grob in den Fels gehauenen Konturen
erkennen. Der Boden ist nicht geteert und mit den gleichen
Schlaglöchern versehen die es bereits am ersten Bergpass zu
bewundern gab. Hier gibt es aber noch dazu die Schwierigkeit dass man
die Löcher nicht sieht da die gesamte Höhle 20-30 Zentimeter unter
Wasser steht. Mein Geschichtenerzähler nebenan hat dazu, nachdem wir dass
ersehnte Ende erreichen, natürlich auch wieder eine Geschichte auf Lager: Gestartet wurde der Bau des Tunnels noch in der
Sowjetzeit. Dann brach diese zusammen und es war kein dadurch kein
Geld mehr vorhanden. Der Bau wurde gestoppt. 10 Jahre später wurde
eine Iranische Firma beauftragt den Bau weiterzuführen. Diese
erkannte jedoch das die Sowjets eine völlige ungeeignete Stelle
wählten da das Gestein äußerst porös ist. Die Bauarbeiten für
eine sicheren Tunnel, der nicht immer wieder zusammenbricht, würde
daher wohl bis in alle Ewigkeit dauern. Das dauerte der
tadschikischen Regierung zulange. Sie verlangten eine schnelle
Freigabe für die öffentliche Benutzung, die andere Seite war ja
schließlich schon erreicht. Die Iranische Baufirma tat
dies schließlich, aufgrund hohen Druckes, lehnte aber jegliche Verantwortung ab.
Der tadschikischen Regierung war dies egal und kurz darauf fuhren
unzählige Auto durch eine kilometerlang unbelüftete, nahezu
unbefestigte Höhle. Die größte Gefahr ist jedoch nicht das Gestein
sondern die fehlende Belüftung. Eine simple Autopanne und ein
dadurch entstehender Stau innerhalb des Tunnels hat verheerende
Auswirkungen. Noch bevor die wartenden Lastwagen ihre Motoren
abstellen sterben üblicherweise die ersten Menschen an einer
Kohlenmonoxid Vergiftung.
Nun kann man
davon ausgehen dass nach Europäischem Verständnis diese Stecke
definitiv niemals für den öffentlichen Verkehr freigegeben würde. In Tadschikistan ist es jedoch die einzige Verbindung, abgesehen von
teuren Flugverbindungen, von den nördlichen Provinzen in Richtung
Süden. Für viele Einwohner ist diese Strecke lebensnotwendig. Die
Höhle mag nicht gerade sicher wirken, ist aber dennoch ein
Fortschritt zum, ebenfalls unsicheren, vorherigen Bergpass. Zudem
verkürzt sie die Fahrzeit um knapp zwei Stunden. Gerade deshalb ist
es ein guter Vorgeschmack auf das kommende. Im zu 60% aus
Hochgebirgen bestehenden Tadschikistan ist das Leben nicht einfach.
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