Dienstag, 22. Mai 2012

Nichts ist umsonst

Diskussionsbedarf

Eigentlich hätten wir es wissen können. Schon als ich mit Polly und Anna, nach langer Kontrollprozedur, die Grenze von Georgien nach Aserbaidschan überschritt wurde uns eines bewusst: In Aserbaidschan läuft einiges anders als in Georgien. Und es beginnt beim Trampen.
In Georgien war das größte Problem dass es sehr lange dauern kann, auch wenn wir nie länger als 10 Minuten am Straßenrand standen. Die Fahrer wollten uns unbedingt die örtlichen Sehenswürdigkeiten zeigen, oder führten zu viel gekühltes Bier mit sich, dass natürlich getrunken werden muss bevor es warm wird. In Aserbaidschan schien es zunächst als wäre es ebenso einfach. Von der Grenze weg fahren wir per Anhalter in die nächstgelegene Stadt um von dort einen Zug nach Baku zu nehmen.

Schon kurze Zeit später hält ein Auto dessen Fahrer uns nach Balakan bringen kann. Den umstehenden, nach Kunden gierenden, Taxifahrern erklären wir zuvor noch dass wir, des Erlebnis willens, lieber trampen. Wirklich verstehen tut dies allerdings niemand, kostest es doch nich viel, dementsprechend sauer sind sie deshalb auf unseren Fahrer. Ihr Ärger ist allerdings unbegründet da uns dieser in Balakan an einem unmöglich Ort, fernab vom Bahnhof absetzt, und anschließend Geld von uns verlangt. Der einzige Grund ihm sauer zu sein wäre dass er anders als die Taxifahrer keine Lizenz zum Touristen abzocken besitzt.

Was beim Trampen begann zieht sich wie ein roter Faden durch meine Erlebnisse in Aserbaidschan. Auf viele schöne Erlebnis folgt immer etwas dass mir die Laune verdirbt. In den meisten Gegenden dieses Landes sehen einen viele Einwohner als wandelnden Geldbeutel den es zu schröpfen gilt. Beispiele hierfür gibt es genug: Genervt vom Trampen kaufen wir uns während eines Trips ein Busticket um ein Stück weiter zu kommen. 200 Kilometer für knapp 3 Euro. Kein schlechter Preis. Entscheidet man sich im Bus aber dass man eine Stadt und 30 Kilometer weiter will, verlangt der Fahrer zusätzliche 3 Euro pro Person. Die gesamten 500 km nach Baku hätten in diesem Fall 5 Euro gekostet. Dass er anschließend zu handeln beginnen will hilft nichts, zu dreist ist diese Methode als dass wir uns noch auf lange Diskussionen einlassen wollen. Wir steigen am ursprünglich Ziel aus und erhalten kurz darauf durch eine zufällige Begegnung kostenlos eine Mitfahrgelegenheit durchs halbe Land. Mehrere Mahlzeiten in teuren Raststopps inbegriffen. Dass der Fahrer, der uns während einer Teepause aufgelesen hat, eine eigene Baufirma besitzt ist und das Sommerhaus von Präsident İlham Əliyev gebaut hat, vereinfacht diesen Umstand wohl nicht unerheblich.

Am deutlichsten erleben wir es im aserbaidschanischen Teil des Kaukasus. Getrieben von der Idee dass man solche Erlebnisse in Orten abseits des Tourismus vermeidet, erreichen wir nach einer 4 Stunden Fahrt Xinaliq. Ein ca. 800 Einwohner beherbergendes malerisches Berdorf auf über 2000 Meter Höhe. Umrahmt von schneebedeckten Berggipfeln. Ich fühle mich wieder ein bisschen in die Bergregionen Georgiens zurückversetzt auch wenn die Landschaft, aufgrund der fehlenden Bäume, doch sehr anders ist. Dass neben den üblich Touristenführern auch unser Fahrer von den gastfreundlichen Bewohnern dieser Region schwärmt wirkt sich sehr positiv auf unsere Vorfreude aus. Gleich zu Beginn treffen wir auf einen ca. 70 jährigen Hirten der seine Schafe nach Hause bringt. Wir kommen ins Gespräch an dessen Ende er uns zu Tee in sein Haus einlädt. Immer mehr fühle ich mich wieder in Georgien. Nach dem Tee , dem vorstellen sämtlicher Familienmitglieder und einem gemeinsamen Abendessen wird uns ein Platz zum schlafen gezeigt. Dass es in dem sehr ursprünglichen Haus keine Dusche gibt und die Toilette aus einem Loch, im Boden eines Bretterverschlages, im Garten besteht macht aufgrund der Einladung auch nichts aus.

Am nächsten Morgen wird uns einer der Enkel des Schafhirten auf eine Wanderung als Guide mitgegeben. Gleich zu Beginn jedoch mal wieder ein negatives Erlebnis. Im kleinen Einraum-Museum des Ortes werde ich misstrauisch da kein Preis angegeben ist. Die Frau, die extra von unserem 11 jährigen Guide aus dem Nachbarhaus geholt wurde, um uns die Türe aufzusperren spricht anscheinend kein Russisch. Ich belasse es dabei, viel kann es ja nicht kosten. Beim verlassen spricht sie dann allerdings doch russisch und verlangt umgerechnet 6 Euro pro Person. Eine Frechheit im Zusammenhang mit den paar wenigen Ausstellungsstücken die vornehmlich aus alten Gewehren, einigen alten handgemachten Haushaltsgegenständen und ein paar vergilbten Zeitungsartikeln bestehen. Wir handeln den Preis um die Hälfte herunter und ärgern uns anschließend über unsere eigene Sorglosigkeit.

Der Ärger verfliegt jedoch schnell auf der anschließenden Wanderung. Entlang an Wasserfällen , Höhlen und Gebetsstellen inmitten von Steilhängen wandern wir durch die umliegenden Bergtäler. Um uns bei der Familie für ihre Gastfreundlichkeit zu bedanken kaufen wir Süßigkeiten für die geschätzten 10, im Haus lebenden, Kinder und entschließen uns der Familie etwas Geld zu geben um sie zu unterstützen. Als wir dem Schafhirten am nächsten Tag vor unserer Abreise dass Geld übergeben wollen blickt er uns nur schief an und sagt dass es nicht genug sei da der Preis für die Übernachtung pro Person und Nacht je 20 Euro beträgt. Letztendlich zahlen wir wieder gut die Hälfte, werden allerdings als schlechte Menschen bezeichnet da wir uns scheinbar erdreisten den geforderten Preis in Frage zu stellen

Auch wenn ich auch viele Schöne Erlebnisse aus Aserbaidschan in Erinnerung behalten werde, zu vieles hat einen faden Beigeschmack hinterlassen um eine wirklichen positive Geschichte über das unabhängige Reisen in diesem Land zu schreiben.



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