Diskussionsbedarf
Eigentlich hätten
wir es wissen können. Schon als ich mit Polly und Anna, nach langer
Kontrollprozedur, die Grenze von Georgien nach Aserbaidschan
überschritt wurde uns eines bewusst: In Aserbaidschan läuft einiges
anders als in Georgien. Und es beginnt beim Trampen.
In Georgien war
das größte Problem dass es sehr lange dauern kann, auch wenn wir
nie länger als 10 Minuten am Straßenrand standen. Die Fahrer
wollten uns unbedingt die örtlichen Sehenswürdigkeiten zeigen, oder
führten zu viel gekühltes Bier mit sich, dass natürlich getrunken
werden muss bevor es warm wird. In Aserbaidschan schien es zunächst
als wäre es ebenso einfach. Von der Grenze weg fahren wir per
Anhalter in die nächstgelegene Stadt um von dort einen Zug nach Baku
zu nehmen.
Schon kurze Zeit
später hält ein Auto dessen Fahrer uns nach Balakan bringen kann.
Den umstehenden, nach Kunden gierenden, Taxifahrern erklären wir
zuvor noch dass wir, des Erlebnis willens, lieber trampen. Wirklich
verstehen tut dies allerdings niemand, kostest es doch nich viel,
dementsprechend sauer sind sie deshalb auf unseren Fahrer. Ihr Ärger
ist allerdings unbegründet da uns dieser in Balakan an einem
unmöglich Ort, fernab vom Bahnhof absetzt, und anschließend Geld
von uns verlangt. Der einzige Grund ihm sauer zu sein wäre dass er
anders als die Taxifahrer keine Lizenz zum Touristen abzocken
besitzt.
Was beim Trampen
begann zieht sich wie ein roter Faden durch meine Erlebnisse in
Aserbaidschan. Auf viele schöne Erlebnis folgt immer etwas dass mir
die Laune verdirbt. In den meisten Gegenden dieses Landes sehen einen
viele Einwohner als wandelnden Geldbeutel den es zu schröpfen gilt.
Beispiele hierfür gibt es genug: Genervt vom Trampen kaufen wir uns
während eines Trips ein Busticket um ein Stück weiter zu kommen.
200 Kilometer für knapp 3 Euro. Kein schlechter Preis. Entscheidet
man sich im Bus aber dass man eine Stadt und 30 Kilometer weiter
will, verlangt der Fahrer zusätzliche 3 Euro pro Person. Die
gesamten 500 km nach Baku hätten in diesem Fall 5 Euro gekostet.
Dass er anschließend zu handeln beginnen will hilft nichts, zu
dreist ist diese Methode als dass wir uns noch auf lange Diskussionen
einlassen wollen. Wir steigen am ursprünglich Ziel aus und erhalten
kurz darauf durch eine zufällige Begegnung kostenlos eine
Mitfahrgelegenheit durchs halbe Land. Mehrere Mahlzeiten in teuren
Raststopps inbegriffen. Dass der Fahrer, der uns während einer
Teepause aufgelesen hat, eine eigene Baufirma besitzt ist und das
Sommerhaus von Präsident İlham Əliyev gebaut
hat, vereinfacht diesen Umstand wohl nicht unerheblich.
Am deutlichsten
erleben wir es im aserbaidschanischen Teil des Kaukasus. Getrieben
von der Idee dass man solche Erlebnisse in Orten abseits des
Tourismus vermeidet, erreichen wir nach einer 4 Stunden Fahrt
Xinaliq. Ein ca. 800 Einwohner beherbergendes malerisches Berdorf
auf über 2000 Meter Höhe. Umrahmt von schneebedeckten Berggipfeln.
Ich fühle mich wieder ein bisschen in die Bergregionen Georgiens
zurückversetzt auch wenn die Landschaft, aufgrund der fehlenden
Bäume, doch sehr anders ist. Dass neben den üblich Touristenführern
auch unser Fahrer von den gastfreundlichen Bewohnern dieser Region
schwärmt wirkt sich sehr positiv auf unsere Vorfreude aus. Gleich zu
Beginn treffen wir auf einen ca. 70 jährigen Hirten der seine Schafe
nach Hause bringt. Wir kommen ins Gespräch an dessen Ende er uns zu
Tee in sein Haus einlädt. Immer mehr fühle ich mich wieder in
Georgien. Nach dem Tee , dem vorstellen sämtlicher
Familienmitglieder und einem gemeinsamen Abendessen wird uns ein
Platz zum schlafen gezeigt. Dass es in dem sehr ursprünglichen Haus
keine Dusche gibt und die Toilette aus einem Loch, im Boden eines
Bretterverschlages, im Garten besteht macht aufgrund der Einladung
auch nichts aus.
Am nächsten
Morgen wird uns einer der Enkel des Schafhirten auf eine Wanderung
als Guide mitgegeben. Gleich zu Beginn jedoch mal wieder ein
negatives Erlebnis. Im kleinen Einraum-Museum des Ortes werde ich
misstrauisch da kein Preis angegeben ist. Die Frau, die extra von
unserem 11 jährigen Guide aus dem Nachbarhaus geholt wurde, um uns
die Türe aufzusperren spricht anscheinend kein Russisch. Ich belasse
es dabei, viel kann es ja nicht kosten. Beim verlassen spricht sie
dann allerdings doch russisch und verlangt umgerechnet 6 Euro pro
Person. Eine Frechheit im Zusammenhang mit den paar wenigen
Ausstellungsstücken die vornehmlich aus alten Gewehren, einigen
alten handgemachten Haushaltsgegenständen und ein paar vergilbten
Zeitungsartikeln bestehen. Wir handeln den Preis um die Hälfte
herunter und ärgern uns anschließend über unsere eigene
Sorglosigkeit.
Der Ärger
verfliegt jedoch schnell auf der anschließenden Wanderung. Entlang
an Wasserfällen , Höhlen und Gebetsstellen inmitten von Steilhängen
wandern wir durch die umliegenden Bergtäler. Um uns bei der Familie
für ihre Gastfreundlichkeit zu bedanken kaufen wir Süßigkeiten
für die geschätzten 10, im Haus lebenden, Kinder und entschließen
uns der Familie etwas Geld zu geben um sie zu unterstützen. Als wir
dem Schafhirten am nächsten Tag vor unserer Abreise dass Geld
übergeben wollen blickt er uns nur schief an und sagt dass es nicht
genug sei da der Preis für die Übernachtung pro Person und Nacht je
20 Euro beträgt. Letztendlich zahlen wir wieder gut die Hälfte,
werden allerdings als schlechte Menschen bezeichnet da wir uns
scheinbar erdreisten den geforderten Preis in Frage zu stellen
Auch wenn ich
auch viele Schöne Erlebnisse aus Aserbaidschan in Erinnerung
behalten werde, zu vieles hat einen faden Beigeschmack hinterlassen
um eine wirklichen positive Geschichte über das unabhängige Reisen
in diesem Land zu schreiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen