Mittwoch, 2. Mai 2012

Und dann kam Polly

Abenteuer zu zweit, sowie als Familie.

Reisen ist einfach. Vor allem wenn man alleine unterwegs ist. Es gibt immer nur ein Problem das es zu lösen gibt. Woher bekomme ich was zu essen? Wo schlafe ich heute Nacht? Wem muss ich auf die Nerven gehen um ein Visa für das nächste Land zu erhalten? Das hört sich im ersten Moment nach viel an, aber was hat man denn sonnst zu tun? Eigentlich Nichts. Man muss über nichts diskutieren. Der Reiseplan ist einfach. Stadt oder Region aussuchen, dort hinkommen. Fühlt man sich an einem Ort nicht wohl, packt man seine sieben Sachen und ist kurz darauf wieder auf und davon. Das alles ändert sich wenn man Begleitung hat. In meinem Fall heißt diese derzeit Polly. Australierin mit Russischen Wurzeln. Wir treffen uns in Batumi und stellen fest das wir vorerst denn selben Weg sowie einen ähnlichen Zeitplan haben. Da wir beide nichts gegen ein wenig Abwechslung vom alleine Reisen haben, fahren wir gemeinsam nach Borjomi und erleben dort den großen Vorteil des Reisen zu zweit. Man ist nicht alleine, und erlebt so Abenteuer zu denen es sonst nie kommen würde.

In Borjomi angekommen informieren wir uns über die Sehenswürdigkeiten. Neben den in Georgien obligatorischen Kirchen, ein Nationalpark mit Heilwasserquellen und einem Natur-Schwimmbad. Irgendwo im nirgendwo. Da uns beiden mehr nach Baden zumute ist entscheiden wir uns gegen die Kirchen und für den Nationalpark. Polly kann mit Heilwasserquellen nicht besonders viel anfangen. Ich dagegen schon. Schon öfters habe ich Orte besucht die sich mit solch eisenhaltigen Quellen gerühmt haben. Mein Eindruck war der immer der gleiche. „mmh ja, schmeckt ein bisschen nach Blut“. Als ich dass Polly erzähle blickt sie mich nur schief an. Dort angekommen, einen Schluck, und ein verzogenes Gesicht, später kommt sie zu folgender Feststellung: „mmh, ja schmeckt nach Blut“. Immerhin soll es gesund sein. Die Georgier kommen hierher mit großen Kanistern um ihren Vorrat aufzufüllen, wir belassen es bei ein kleiner Wasserflasche, die wir 2 Tage später halbvoll wegwerfen.

 Unser Ziel ist das Schwimmbad. Der Weg dorthin ist allerdings weitaus länger als gedacht. Entlang eines Flusses geht es zu Beginn noch durch märchenhafte Wälder, doch der Weg wird immer steiniger. Schließlich führt er uns in eine Schlucht in der auch der, im Schatten der Hänge liegengebliebene. Schnee zunimmt. Unser weiterkommen wir von mehreren, den Weg kreuzenden, Bächen erschwert. Mögen es im Sommer Rinnsale sein, während der jetzigen Schneeschmelze haben sie auch mit geringer Breite eine beeindruckende Geschwindigkeit. Den stärksten können wir nur mit der Hilfe einiger Georgier, die mit dem gleichem Problem ringen, überwinden. Wir entdecken ein Gedenkkreuz. Laut einer Legende wurde hier ein Eremit, im Alter von 120 Jahren, von einem Bären getötet. Kurz darauf entdecken wir selbst die Spuren eines nicht gerade kleinen Bären und kommen daraufhin doch etwas ins grübeln. Wir sollten uns etwas beeilen damit wir vor Anbruch der Dunkelheit zurück in Borjomi sind, neben Bären soll es in dieser Gegend auch Wölfe geben.

Endlich sehen wir das Schwimmbad auf der anderen Seite des Flusses. Oder besser gesagt ein Pool mit einem Durchmesser von ca. 10 Metern. Ein paar Erwachsene, der Rest Kinder und Jugendliche, die hier baden und vor Lagerfeuern Bier trinken. Und nein, es ist kein Fehler in diesem Satz. Wie wir auf die andere Seite gelangen sollen ist uns jedoch ein Rätsel. Die einzige offensichtliche Verbindung ist ein glitschiger Baumstamm auf dem sich ein paar wacklige Bretter befinden. Das soll der Weg sein? Wir sind die ganze entlang dieses Flusses gewandert. Welche Kraft dieser jedoch besitzt wird uns erst jetzt, da wir ihn überqueren müssen, bewusst. Sollte man vom Baumstamm abrutschen wäre es dass wohl endgültig. Doch wie sind die 20 Jungs dort rüber gekommen? Wir testen die Bretter, glücklicherweise deutet uns einer der Jungen jedoch mit Handzeichen an dass es weiter oben einen zweiten Weg gibt. Es ist ein kleiner Umweg, doch die wesentlich sichere Variante mit der wir schließlich den Pool erreichen.

Polly lernt hier wie es ist wenn man das einzige weibliche Wesen im Umkreis von 10 Kilometern ist. Mit ihren blonden Haaren ist sie in Georgien sehr auffällig und wird daher ständig von Männern jeglichen Alters angesprochen. Sind diese Konversationen unangenehm für sie, gibt es aber auch dafür eine einfache Lösung. Ein Wort, in Kombination mit einem Fingerzeig auf mich, reicht. Ehemann. Sie verlieren jegliches Interesse an Polly und wollen stattdessen, wohl als Entschuldigung für ihre Aufdringlichkeit, mit mir trinken. Daher steigt sie mit etwas Unbehagen in den Pool. Zurecht, denn zeitgleich kommen die jüngeren Georgier an den Beckenrand gelaufen und verfolgen jede ihrer Bewegungen ungeniert und tuschelnd. Die älteren Georgier beobachten sie auch aber, da die meisten wohl schon mal eine Frau in Bikini oder Unterwäsche gesehen haben, mit deutlich mehr Abstand, und Anstand. Nach dem Badevergnügen schirme ich sie beim umziehen so gut es geht gegen die neugierigen Blicke ab. Nach Absprache bemühen wir uns schnellstmöglich den Rückweg anzutreten, auch wenn ich dabei wieder einige Einladungen zu einem Bier ausschlagen muss.

Am nächsten Tag ein neues Abenteuer. Wir wollen Höhlengräber im Süden besichtigen. Wir werden sie niemals erreichen. Nur zum Spaß entschließen wir uns den Weg dorthin per Anhalter zurückzulegen. Man will ja mal ausprobieren wie das in Georgien so funktioniert. Es funktioniert, dem ersten Anschein nach, sehr gut. Innerhalb weniger Minuten sitzen wir in einem Auto. Der Fahrer, Bondo, ein etwa 50 jähriger Mann ist uns sofort sympathisch. Er kann uns zwar nur 25 km mitnehmen doch er hält immer wieder um uns mitreißend die Geschichte eines, der zuerst unscheinbar, wirkenden Orte zu erläutern. So erfahre ich beispielsweise von einer Ortschaft die dort von deportierten deutschen Kriegsgefangenen errichtet wurde. Ebenso begeistert hört er unsere Reisegeschichten. Schließlich entschließt er sich uns noch etwas weiter zu fahren als es sein eigentlicher Weg ist. Zuvor will er uns aber noch seine Familie vorstellen. Wir kommen in ein kleines, sehr ursprüngliches, Dorf. Freundlich werden wir von der Familie begrüßt und bevor wir darüber nachdenken können, ob es nicht besser wäre nach einer anderen Mitfahrgelegenheit Ausschau zu halten um unser Ziel zu erreichen, beginnt Bondos Frau den Tisch zu decken. Bondo verschwindet für einen Moment. Kurz darauf kommt er mit einer Karaffe selbstgemachten Weines zurück. Wieder einmal liegt es an mir mit ihm zu trinken. Polly kommt in solchen Situation als Frau immer ganz gut weg. Von ihr wird es nicht erwartet. Von mir schon. So kommt es dass ich zwei Stunden, und zwei weitere Karaffen, später dringend eine Pause brauche. 

Der Zeitpunkt ist auch günstig da Bondo noch etwas zu erledigen hat. Die Höhlengräber sind längst vergessen und so beschließen wir dass eine Wanderung zu den naheliegenden Hügeln wohl die beste Idee wäre etwas auszunüchtern. Es ist schließlich erst früher Nachmittag. So einfach kommen wir aber nicht davon. Bondos Frau gibt uns zwei seiner Kinder mit auf den Weg, auf dass wir auch ja zurück kommen. Sind wir also mehr oder weniger als kleine Familie unterwegs. Der Wanderung tut gut und da die Kinder Spaß haben, dehnen wir das ganze etwas aus. Als wir aus den Hügeln zurückkommen wartet schon die Mutter voller Sorge auf einer Brücke. Als Bondo zurückkam war seine erste Frage an sie: Wo sind meine Touristen abgeblieben? 

Zurück im Haus verbringen wir dort den restlichen Tag. Wir werden bewirtet, voller Stolz den Nachbarn vorgestellt, von diesen natürlich auch bewirtet und zu allem gibt es Wein. In großen Mengen. In Georgien ist es Brauch dass Gäste nach 21.00 Uhr das Haus nicht mehr verlassen. Daher bekommen wir eigenes Zimmer, welches ich zu später Stunde nur durch Kombination aller meiner noch vorhandenen Sinne finde. Bondo fährt uns am nächsten Morgen zurück nach Borjomi und lädt uns dabei noch ein am Osterfest, eine Woche später, ihrer Familie teilzuhaben. Leider können wir diese Einladung aufgrund unseres weiteren Weges nicht wahrnehmen und doch zeigten mir gerade diese Erlebnis wie sehr es doch auf, aus Entscheidungen resultierenden, Zufälle beim Reisen ankommt. Wäre ich zum selben Zeitpunkt alleine unterwegs gewesen, wären meine vorhergehenden Entscheidungen anders ausgefallen und keines der beiden Erlebnisse hätte in dieser Form statt gefunden. Wäre Jammer schade gewesen.

2 Kommentare:

  1. jaaaa, das kann ich mir vorstellen. Das viele Bier- und Weintrinken ist bestimmt ziemlich anstrengend ;)

    aber hey, genau dafür hast du ein halbes leben lang mit uns trainiert !!! :)

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  2. bin auch sehr froh darueber, jede antrainierte Faehigkeit kann irgendwann nuetzlich werden. ;)

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