Donnerstag, 3. Mai 2012

Wild, störrisch, schwanger

Reitausflug in Georgien.

Das letzte mal dass ich auf einem Pferd saß muss gute 15 Jahre her sein. Während eines Familienurlaubes in Kroatien unternahmen wir eine Reittour. Das Pferd dass mir damals zugewiesen wurde war ein störrischer alter Gaul. Mehrmals versuchte er mich abzuwerfen, die restliche Zeit verbrachte er damit sich bei jeder Gelegenheit den Wanst vollzuschlagen. Seit diesem Zeitpunkt sind mir Pferde etwas suspekt und ich vermied es mich auf deren Rücken zu befinden. Und doch lasse ich mich von meinen beiden Reisebegleiterinnen, Polly und Anna, dazu überreden einen Reitausflug zu unternehmen. Man will ja nicht nachtragend sein. Unsere Unterkunft organisiert uns einen jungen Guide, der uns am nächsten Morgen, zusammen mit 4 Pferden, am Ortsschild eines kleines Dorfes erwartet.

Es scheint nicht so als hätte er dies schon öfters mit Touristen gemacht. Er spricht kein Wort Englisch und nur wenige Brocken Russisch. Seine Pferde wirken etwas verunsichert. Und sehr verschieden. Noch während wir mit dem Guide reden beginnt das große Schwarze herum zu springen und auf und ab zu galoppieren. Das kleinste, ein ca. 2 Jahre altes braunes Pferd, wird dadurch angesteckt und schließt sich ihm an. Das wiederum macht das dritte, graue, Pferd so nervös, dass es daraufhin das Weite sucht. Nur das vierte Pferd, ebenfalls braun, scheint verdächtig ruhig. Es steht die ganze Zeit, ohne jegliche Regung, fast schon apathisch, am selben Fleck. Unser Guide macht den Eindruck als wäre er mit der ganzen Situation etwas überfordert. Als er es schließlich schafft die zwei galoppierenden Pferde einzufangen stehen wir vor einem Problem. Vier Personen aber nur noch drei Pferde. Das große graue, welches zuvor mit einem beherzten Galopp Lebewohl gesagt hatte, ist nicht wieder aufgetaucht.

Unser Guide vermutet, soweit wir verstehen, dass es wohl nach Hause geritten ist und wir es dort abholen müssen. Anna beansprucht das große Schwarze für sich. Mutig, und mir ganz recht. Polly bekommt das verdächtig unbewegliche Pferd. Mir bleibt daher vorerst das kleine braune. Dieses ist normalerweise das Pferd welches unserer Guide trainiert. Und ohne Sattel reitet. So beginnen wir unseren Reitausflug. Polly und Anna auf zwei Pferden mit sehr unterschiedlichen Mentalitäten. Der Guide zu Fuß. Ich, ohne Sattel, auf einem Pferd das mehr ein Pony ist. Und etwas dünn. Der Weg zum Haus des Guides führt von der Straße in ein kleines Waldstück, über mehrere Felder und durch einige kleine Bäche. Entgegen meiner ersten Befürchtung kommen ich und mein junges Pferd ganz gut miteinander aus. Ich kann aber nicht behaupten dass es sich sehr komfortabel reitet. Da ich nur auf einer Decke sitze spüre ich dessen Knochen bei jedem Schritt. Steigbügel habe ich auch keine. Immer wieder muss ich meine Sitzposition korrigieren um nicht vom Pferd zu rutschen. Was wiederum aber nicht so schlimm wäre, da ich mit meinen Füßen nahezu den Boden erreiche. Dass es, gerade bei Unebenheiten im Gelände, nicht den sichersten Tritt besitzt, macht die Sache nicht gerade leichter. Wir kommen zum Haus des Guides. Vor dem Haus steht festgebunden das graue Pferd welches sich zuvor vorerst selbst frei gegeben hatte. Daneben sitzen ein paar alte Männer und trinken Wodka. Sie scherzen mit unserem Guide, dem das ganze wohl etwas peinlich ist.

Ich dagegen bin froh das Pferd zu wechseln und damit den knochigen Rücken zu verlassen. Mein jetziges Pferd, eine ältere Stute, wirkt ruhig. Im Vergleich zum ersten Eindruck, zu ruhig. Möglicherweise hat es sich auf dem Weg nach Hause verausgabt. Ein Trugschluss, wie ich nach kurzer Zeit feststelle. Sie entschließt sich dass sie nicht auf der Straße laufen will und biegt in ein Feld ab. Als ich versuche die Richtung zu korrigieren wird sie störrisch und beschleunigt das Tempo in ruckartigen Bewegungen. Doch so leicht wird sie mich nicht los. Dass sie keine Lust auf einen Ausflug hat, zeigt sich spätestens als sie einsieht dass sie mich nicht so einfach abwerfen kann. Sie bleibt mitten im Feld einfach stehen und weigert sich zurückzugehen. Auch meine Kommandos, oder die des Guides, der ihr mit einem Stock das Hinterteil versohlt, bringen nicht viel. Da hätte ich auch einen Esel reiten können. Ich versuche es schließlich mit einer anderen Taktik und rede ihr gut zu. Und es hilft. Frau bleibt eben Frau.

Endlich können wir unseren eigentlichen Reitausflug beginnen. Wir reiten aus dem Ort über eine Waldstraße weiter ins Hinterland, in Richtung der Berge des Kaukasus, beobachten Adler und andere Greifvögel und erfreuen uns an der malerischen Landschaft. Alles scheint nun doch besser zu laufen als zuerst vermutet. Vier Personen und vier Pferde. Annas anfangs energiegeladener Hengst ist ruhiger als vermutet und ich freunde mich mehr und mehr mit meiner Stute an. Nur Pollys, verdächtig ruhige Stute kommt plötzlich ins Stolpern, setzt sich auf ihr Hinterteil und schafft es mit Polly auf dem Rücken nicht von alleine aus aufzustehen. Als wir später in einem Tal eine Pause einlegen ist es völlig entkräftet und liegt am Boden. Unser Guide erklärt uns dass sie schwanger ist, und dass ganze wohl etwas zuviel für sie ist. Wir beenden den Ausflug und machen uns gemächlich auf den Rückweg. Von der Familie des Guides werden wir anschließend noch zu einem opulenten Mahl eingeladen bei dem der Wein mal wieder in Strömen fließt. Trotz anfänglicher Skepsis ein schöner Ausflug, bei dem ich letztendlich meinen Frieden mit Pferden geschlossen habe. Die weiten Steppen Zentralasiens können kommen.

2 Kommentare:

  1. Bei dem Titel hab ich erst mal gedacht, du hättest deine Meinung über Polly geändert :)

    AntwortenLöschen
  2. daran hab ich bei der titelwahl gar nicht gedacht :D

    AntwortenLöschen