Baku. Songcontest
und verschwundene Botschaften
„You are here
for Eurovision?“ Immer wieder wurde mir in Baku diese Frage
gestellt. 4 Wochen nach meiner Ankunft in der Hauptstadt
Aserbaidschans sollte der nicht so ganz europäische Songcontest
beginnen. Mein Interesse daran hielt sich, gänzlich untypisch, in
Grenzen. Den deutschen Beitrag dafür kenne ich bis heute nicht.
Niemals aber hätte ich gedacht dass es schwierig werden könnte
diesem Medienspektakel aus dem Weg zu gehen, bin ich doch nur nach
Baku gekommen um mir meine Visa für Zentralasien zu organisieren.
Die Stadt des Windes sollte von einem Sturm heimgesucht werden der
nicht ohne Folgen bleiben wird. Denn die Stadt hat vieles, eines
dagegen üblicherweise nicht: Touristen.
Dabei eignet sich die Stadt hervorragend für die Ausrichtung dieses Events, sowie auch als gewöhnlicher Touristenort. Eine geschichtlich interessante Altstadt der Seidenstraße,mit Festungsmauer, Karawansereien und verwinkelten Gassen, alles in diesem Ocker Farbton bei dem man zugleich an den klassischen Orient denkt. Dass heutige moderne Baku ist dagegen eine reiche Öl-Stadt. Im Hintergrund der Altstadt ragen drei, einem Feuer nachempfundene Türme in der Sonne glänzend gen Himmel. In den Wolkenkratzern der Großbanken werden, hinter protzigen Glasfassaden, die Öl-Millionen von einem Konto zum nächsten geschoben. Im Stadtzentrum muss man sehr vorsichtig agieren um nicht von einem der unzähligen Nobelkarossen ála BMW X5 überfahren zu werden. 5-Sternerestaurants rühmen ihre Köstlichkeiten aus aller Welt im mehrsprachigen Menü. Und schließlich eine Uferpromenade, auf der all jener Reichtum zur Schau gestellt wird. Es wird sich getroffen um sich zu präsentieren. Verlässt man die Stadt, ändert sich das Bild jedoch.
Wie an
einer Perlenkette aufgereiht befinden sich an der gesamten südlichen
Küste des kaspischen Meeres Ölfelder, Bohrplattformen,
Schwerindustrie und Kleinstädte mit der typischen Sowjet
Architektur, bei der jeden Freund klarer Linien warm ums Herz wird.
Die Besucher des Eurovision Songcontest werden diesen Augenschmaus
jedoch niemals zu Gesicht bekommen. Zu sehr ist die Stadt damit
beschäftigt sich für den Ansturm der westlichen Besucher
herauszuputzen. Dass der Reichtum der Stadt auf dreckiger
Schwerindustrie basiert wird gerne unterschlagen. Es passt wohl nicht
ins Bild. An einer Touristeninformation wurde mir gegenüber sogar
behauptet es gäbe überhaupt keine Ölfelder. Dabei ist es ein
Anblick der es, weil er so ganz und gar unwirklich scheint, wirklich
wert ist. Nicht umsonst wurden die Ölfelder Bakus schon als
Hintergrundkulisse des James Bond Filmes "Die Welt ist nicht genug" verwendet.
Auch wenn mir
versichert wurde es gäbe sie nicht, ich habe sie gesehen. Ich hatte
aber auch viel Zeit mir die Gegend anzusehen, musste ich doch
mehrmals einige Tage warten um anschließend von einer Botschaft
Zentralasiens zur nächsten zu laufen. Laut einiger Internetforen
gilt Baku als der wohl beste Platz um Visa für die folgenden,
östlich gelegenen, Länder zu beantragen. Bei einigen Ländern wie
Usbekistan, Kasachstan und Kirgistan (dessen Visa skurriler weise ein
Kasachisches Visa mit kirgisischem Stempel ist) kann ich nur
zustimmen. Zwei große Ausnahmen gibt es jedoch. Die erste ist der
Iran. Ich war sehr froh dass ich dieses Visa schon in meinem Pass
hatte denn meine Mitreisenden mussten sich mit störrischen, faulen
Botschaftsmitarbeitern herumärgern und schließlich eine Agentur
beauftragen ihnen dabei behilflich zu sein. Die zweite Ausnahme ist
die Botschaft des Landes Turkmenistan. Dass ist aber eine ganz
eigenen Geschichte für einen anderen Zeitpunkt, nur soviel: Der
stets vorhandene Wind Bakus hat sie scheinbar hinfort geweht.
Bleibt zu hoffen
dass die Besucher des Songcontests einen sicheren Stand besitzen.
Nicht nur aufgrund des Windes. Die meisten werden sich sehr über
diese Stadt wundern, die europäischer ist als viele Städte in
Europa. Über deren männliche Einwohner die Frauen gegenüber
einerseits so zuvorkommend sind, dass in der Metro üblicherweise
kein Mann einen Sitzplatz besitzt, andererseits man Frauen aber nicht
in Cafés, Teestuben und anderen öffentlichen Einrichtungen
antrifft. Falls doch ernten sie skeptische Blicke. Genau wie derzeit
noch jeder westliche Tourist der sich in der Stadt aufhält und
manchmal begutachtet wird als wäre er ein Außerirdischer. Der
Europäische Songcontest muss demnach einer gewaltigen Invasion vom
Mars gleichkommen.
Hey, gut wieder was von dir zu lesen. Weiter so, dann spar ich mir zu Hause allerhand Lektüre.
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