Dienstag, 22. Mai 2012

Vom Winde verweht

Baku. Songcontest und verschwundene Botschaften

„You are here for Eurovision?“ Immer wieder wurde mir in Baku diese Frage gestellt. 4 Wochen nach meiner Ankunft in der Hauptstadt Aserbaidschans sollte der nicht so ganz europäische Songcontest beginnen. Mein Interesse daran hielt sich, gänzlich untypisch, in Grenzen. Den deutschen Beitrag dafür kenne ich bis heute nicht. Niemals aber hätte ich gedacht dass es schwierig werden könnte diesem Medienspektakel aus dem Weg zu gehen, bin ich doch nur nach Baku gekommen um mir meine Visa für Zentralasien zu organisieren. Die Stadt des Windes sollte von einem Sturm heimgesucht werden der nicht ohne Folgen bleiben wird. Denn die Stadt hat vieles, eines dagegen üblicherweise nicht: Touristen.

Dabei eignet sich die Stadt hervorragend für die Ausrichtung dieses Events, sowie auch als gewöhnlicher Touristenort. Eine geschichtlich interessante Altstadt der Seidenstraße,mit Festungsmauer, Karawansereien und verwinkelten Gassen, alles in diesem Ocker Farbton bei dem man zugleich an den klassischen Orient denkt. Dass heutige moderne Baku ist dagegen eine reiche Öl-Stadt. Im Hintergrund der Altstadt ragen drei, einem Feuer nachempfundene Türme in der Sonne glänzend gen Himmel. In den Wolkenkratzern der Großbanken werden, hinter protzigen Glasfassaden, die Öl-Millionen von einem Konto zum nächsten geschoben. Im Stadtzentrum muss man sehr vorsichtig agieren um nicht von einem der unzähligen Nobelkarossen ála BMW X5 überfahren zu werden. 5-Sternerestaurants rühmen ihre Köstlichkeiten aus aller Welt im mehrsprachigen Menü. Und schließlich eine Uferpromenade, auf der all jener Reichtum zur Schau gestellt wird. Es wird sich getroffen um sich zu präsentieren. Verlässt man die Stadt, ändert sich das Bild jedoch.

Wie an einer Perlenkette aufgereiht befinden sich an der gesamten südlichen Küste des kaspischen Meeres Ölfelder, Bohrplattformen, Schwerindustrie und Kleinstädte mit der typischen Sowjet Architektur, bei der jeden Freund klarer Linien warm ums Herz wird. Die Besucher des Eurovision Songcontest werden diesen Augenschmaus jedoch niemals zu Gesicht bekommen. Zu sehr ist die Stadt damit beschäftigt sich für den Ansturm der westlichen Besucher herauszuputzen. Dass der Reichtum der Stadt auf dreckiger Schwerindustrie basiert wird gerne unterschlagen. Es passt wohl nicht ins Bild. An einer Touristeninformation wurde mir gegenüber sogar behauptet es gäbe überhaupt keine Ölfelder. Dabei ist es ein Anblick der es, weil er so ganz und gar unwirklich scheint, wirklich wert ist. Nicht umsonst wurden die Ölfelder Bakus schon als Hintergrundkulisse des James Bond Filmes "Die Welt ist nicht genug" verwendet.

Auch wenn mir versichert wurde es gäbe sie nicht, ich habe sie gesehen. Ich hatte aber auch viel Zeit mir die Gegend anzusehen, musste ich doch mehrmals einige Tage warten um anschließend von einer Botschaft Zentralasiens zur nächsten zu laufen. Laut einiger Internetforen gilt Baku als der wohl beste Platz um Visa für die folgenden, östlich gelegenen, Länder zu beantragen. Bei einigen Ländern wie Usbekistan, Kasachstan und Kirgistan (dessen Visa skurriler weise ein Kasachisches Visa mit kirgisischem Stempel ist) kann ich nur zustimmen. Zwei große Ausnahmen gibt es jedoch. Die erste ist der Iran. Ich war sehr froh dass ich dieses Visa schon in meinem Pass hatte denn meine Mitreisenden mussten sich mit störrischen, faulen Botschaftsmitarbeitern herumärgern und schließlich eine Agentur beauftragen ihnen dabei behilflich zu sein. Die zweite Ausnahme ist die Botschaft des Landes Turkmenistan. Dass ist aber eine ganz eigenen Geschichte für einen anderen Zeitpunkt, nur soviel: Der stets vorhandene Wind Bakus hat sie scheinbar hinfort geweht.

Bleibt zu hoffen dass die Besucher des Songcontests einen sicheren Stand besitzen. Nicht nur aufgrund des Windes. Die meisten werden sich sehr über diese Stadt wundern, die europäischer ist als viele Städte in Europa. Über deren männliche Einwohner die Frauen gegenüber einerseits so zuvorkommend sind, dass in der Metro üblicherweise kein Mann einen Sitzplatz besitzt, andererseits man Frauen aber nicht in Cafés, Teestuben und anderen öffentlichen Einrichtungen antrifft. Falls doch ernten sie skeptische Blicke. Genau wie derzeit noch jeder westliche Tourist der sich in der Stadt aufhält und manchmal begutachtet wird als wäre er ein Außerirdischer. Der Europäische Songcontest muss demnach einer gewaltigen Invasion vom Mars gleichkommen.

1 Kommentar:

  1. Hey, gut wieder was von dir zu lesen. Weiter so, dann spar ich mir zu Hause allerhand Lektüre.

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