Donnerstag, 31. Mai 2012

Gefangen im Käfig

Von Astara nach Astara

Eingesperrt. In einem Käfig. Zusammen mit Polly und 15 anderen Personen. Der Untergrund besteht aus einer Mischung aus Müll und festgetretenem Matsch. Was geruchstechnisch schon anstrengend genug wäre, wird durch eine dezente Urinnote an die Grenze des ertragbaren getrieben. Bewegen kann ich mich nicht. Der Käfig ist bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgereizt. Durch die Gitterstäbe hindurch blicke ich auf zwei weitere Käfige die sich, ebenso zum Bersten gefüllt, nur wenige Meter von mir entfernt befinden. Vor uns ein Bretterverschlag, mit ebenso hölzernen Türen welche von den den Käfigen umrahmt werden. Das Licht ist schummerig und es ist erdrückend heiß. Sporadisch öffnen sich die Türen und ein paar wenige, glückliche treten ins unbekannte Licht. So muss sich Vieh auf dem Weg zur Schlachtbank fühlen. Zu unserem Glück befinden wir uns im kleinsten der Käfige und hoffen daher auf ein schnelles Entrinnen. Der Grund für die ganze Situation: Es handelt sich um einen Grenzübergang. Er soll uns in den Iran führen.

Noch wenige Minuten zuvor saßen wir 300 Meter entfernt im aserbaidschanischen Teil Astaras in einem kleinen Straßencafé. Vor uns eine Schranke und in Sichtweite dahinter der Grenzübergang. Das überschreiten einer Landesgrenze ist immer etwas besonderes. Eine neue Kultur die es zu ergründen gilt. Meist eine neue Sprache, die man wieder nicht versteht. Einen Stempel im Reisepass zu erhalten indem man einen Schritt über eine, auf einer Landkarte gezogene, Linie geht ist meist recht spannend. Definitiv wenn das Land dahinter Iran heißt. Mit unseren letzten Manats trinken wir die letzten Gläser Cai in Aserbaidschan und sind froh dieses Land endlich zu verlassen. Polly legt ihr für den Iran nötiges Kopftuch und ihr Knielanges Oberteil an. Kurz darauf passieren wir die Schranke.

Bei den Käfigen angekommen werden wir umgehend von einem Polizisten in den kleinsten der Käfige geführt und eingeschlossen. Gleichzeitig ist er damit beschäftigt die andrängende Meute, die sich jedes mal bildet wenn sich einer der Käfige öffnet, zurückzuhalten. Touristen Spezialbehandlung. Zwei ältere Frauen, im mittleren und längsten der Käfige, beginnen lautstark zu mosern dass es doch ungerecht ist uns bevorzugt zu behandeln. Eine davon ist Journalistin und droht darüber zu berichten. Daraufhin entbrennt im Käfig eine lautstarke Diskussion. Die Polizisten, welche zwischen den Käfigen für einen geregelten Ablauf sorgen sollen, sind daran beteiligt machen sich aber mehr einen Spaß daraus die beiden Frauen noch zu reizen. Da aber auch in den Käfigen einhellig die Meinung vorherrscht die Touristen, also uns, durchzulassen, geben schließlich auch die beiden Frauen motzend klein bei.

Wieder öffnen sich die Türen vor uns. Die Meute strömt drängelnd und johlend ins Licht. Wir jedoch nicht. Kurz bevor wir an der Reihe wären, schließen sich die Türen wieder und zerstören die Hoffnung auf ein baldiges Entkommen aus der Geruchshölle. Im Käfig gegenüber haben die zwei Frauen inzwischen einen neuen Grund gefunden über den sie sich bei ihrem auserkorenem Lieblingspolizisten beschweren können. Nun wurden bei der letzten Türöffnung laut ihrer Meinung nicht genügend Personen durchgelassen. Und überhaupt kann es doch nicht sein das die armen Touristen unter menschenunwürdigen Bedingungen immer noch im Käfig eingesperrt sind. In den Käfigen gibt es kein Halten mehr. Dem nur grinsenden Polizisten ist es anzusehen. Er hätte gerne einen langen Stock mit dem er die beiden Frauen durch die Gitterstäbe hindurch, und damit außer Reichweite derer Fänge, drangsalieren könnte.

Und dann endlich. Die Türen öffnen sich ein weiteres Mal. Dieses mal können auch wir uns hindurchzwängen und gelangen zu den Grenzschaltern an denen wir reibungslos unseren Stempel erhalten der uns endlich bestätigt dass wir Aserbaidschan nun verlassen. Wir wandern über eine Brücke, auf welcher auch die restlichen Frauen ihre Kopftücher anlegen, und befinden uns geografisch im Iran. Die organisatorische Prozedur wird kurz darauf in einem modernen glänzendem Gebäude erledigt. Im Inneren wird uns schnell bewusst dass wir nicht nur eine Landesgrenze überschritten haben. Die Luft wird von einer Klimaanlage auf eine angenehme Temperatur gekühlt. Vom Marmorboden könnte man speisen. Die gleichen Personen, die sich zuvor noch drängelnd und lautstark durch die Käfige gezwängt haben, stehen lautlos und geordnet in einer Reihe vor den Iranischen Grenzschaltern. Nach einiger Zeit werden wir von einem Iranischen Polizisten entdeckt und erhalten wieder eine Sonderbehandlung. Niemand beschwert sich darüber. Nur die Journalistin blickt uns stumm, aber mit einem missbilligendem Blick hinterher. Dabei bin ich mir in diesem Moment nicht wirklich sicher ob ich mir eine´Sonderbehandlung von Iranischen Grenzbeamten angesichts meines Gepäcks wirklich wünsche. Meine Sorge ist jedoch unbegründet. Nach kurzer Kontrolle unserer Visa erhalten wir den Stempel und werden weiter gewunken. Unser Gepäck wird weder geröntgt noch einer genaueren Kontrolle unterzogen. Stattdessen freundlicher Smalltalk mit einigen Grenzbeamten die uns allesamt einen schönen Aufenthalt im Iran wünschen.

Als wir das Grenzgelände durch ein eisernes Tor verlassen empfängt uns eine entgegen stürmende Horde aus Taxifahrern und Geldwechslern. Einer davon kann seine Freude über die Tatsache dass ich deutscher Staatsbürger bin nicht zurückhalten und umarmt mich überschwänglich. Was für ein Start in ein neues Land, es konnte aber auch nur besser werden.

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