Von Astara nach Astara
Eingesperrt. In einem Käfig. Zusammen
mit Polly und 15 anderen Personen. Der Untergrund besteht aus einer
Mischung aus Müll und festgetretenem Matsch. Was geruchstechnisch
schon anstrengend genug wäre, wird durch eine dezente Urinnote an
die Grenze des ertragbaren getrieben. Bewegen kann ich mich nicht.
Der Käfig ist bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgereizt.
Durch die Gitterstäbe hindurch blicke ich auf zwei weitere Käfige
die sich, ebenso zum Bersten gefüllt, nur wenige Meter von mir
entfernt befinden. Vor uns ein Bretterverschlag, mit ebenso hölzernen
Türen welche von den den Käfigen umrahmt werden. Das Licht ist
schummerig und es ist erdrückend heiß. Sporadisch öffnen sich die
Türen und ein paar wenige, glückliche treten ins unbekannte Licht.
So muss sich Vieh auf dem Weg zur Schlachtbank fühlen. Zu unserem
Glück befinden wir uns im kleinsten der Käfige und hoffen daher auf
ein schnelles Entrinnen. Der Grund für die ganze Situation: Es
handelt sich um einen Grenzübergang. Er soll uns in den Iran führen.
Noch wenige Minuten zuvor saßen wir
300 Meter entfernt im aserbaidschanischen Teil Astaras in einem
kleinen Straßencafé. Vor uns eine Schranke und in Sichtweite
dahinter der Grenzübergang. Das überschreiten einer Landesgrenze
ist immer etwas besonderes. Eine neue Kultur die es zu ergründen
gilt. Meist eine neue Sprache, die man wieder nicht versteht. Einen
Stempel im Reisepass zu erhalten indem man einen Schritt über eine,
auf einer Landkarte gezogene, Linie geht ist meist recht spannend. Definitiv wenn das Land dahinter Iran heißt. Mit unseren letzten Manats trinken wir
die letzten Gläser Cai in Aserbaidschan und sind froh dieses Land
endlich zu verlassen. Polly legt ihr für den Iran nötiges Kopftuch
und ihr Knielanges Oberteil an. Kurz darauf passieren wir die
Schranke.
Bei den Käfigen angekommen werden wir
umgehend von einem Polizisten in den kleinsten der Käfige geführt
und eingeschlossen. Gleichzeitig ist er damit beschäftigt die
andrängende Meute, die sich jedes mal bildet wenn sich einer der
Käfige öffnet, zurückzuhalten. Touristen Spezialbehandlung. Zwei
ältere Frauen, im mittleren und längsten der Käfige, beginnen
lautstark zu mosern dass es doch ungerecht ist uns bevorzugt zu
behandeln. Eine davon ist Journalistin und droht darüber
zu berichten. Daraufhin entbrennt im Käfig eine lautstarke
Diskussion. Die Polizisten, welche zwischen den Käfigen für einen
geregelten Ablauf sorgen sollen, sind daran beteiligt machen sich
aber mehr einen Spaß daraus die beiden Frauen noch zu reizen. Da
aber auch in den Käfigen einhellig die Meinung vorherrscht die
Touristen, also uns, durchzulassen, geben schließlich auch die
beiden Frauen motzend klein bei.
Wieder öffnen sich die Türen vor uns.
Die Meute strömt drängelnd und johlend ins Licht. Wir jedoch nicht.
Kurz bevor wir an der Reihe wären, schließen sich die Türen wieder
und zerstören die Hoffnung auf ein baldiges Entkommen aus der
Geruchshölle. Im Käfig gegenüber haben die zwei Frauen inzwischen
einen neuen Grund gefunden über den sie sich bei ihrem auserkorenem
Lieblingspolizisten beschweren können. Nun wurden bei der letzten
Türöffnung laut ihrer Meinung nicht genügend Personen
durchgelassen. Und überhaupt kann es doch nicht sein das die armen
Touristen unter menschenunwürdigen Bedingungen immer noch im Käfig
eingesperrt sind. In den Käfigen gibt es kein Halten mehr. Dem nur
grinsenden Polizisten ist es anzusehen. Er hätte gerne einen
langen Stock mit dem er die beiden Frauen durch die Gitterstäbe
hindurch, und damit außer Reichweite derer Fänge, drangsalieren
könnte.
Und dann endlich. Die Türen öffnen
sich ein weiteres Mal. Dieses mal können auch wir uns
hindurchzwängen und gelangen zu den Grenzschaltern an denen wir
reibungslos unseren Stempel erhalten der uns endlich bestätigt dass
wir Aserbaidschan nun verlassen. Wir wandern über eine Brücke, auf
welcher auch die restlichen Frauen ihre Kopftücher anlegen, und
befinden uns geografisch im Iran. Die organisatorische Prozedur
wird kurz darauf in einem modernen glänzendem Gebäude erledigt. Im
Inneren wird uns schnell bewusst dass wir nicht nur eine Landesgrenze
überschritten haben. Die Luft wird von einer Klimaanlage auf eine
angenehme Temperatur gekühlt. Vom Marmorboden könnte man speisen.
Die gleichen Personen, die sich zuvor noch drängelnd und lautstark
durch die Käfige gezwängt haben, stehen lautlos und geordnet in
einer Reihe vor den Iranischen Grenzschaltern. Nach einiger Zeit
werden wir von einem Iranischen Polizisten entdeckt und erhalten
wieder eine Sonderbehandlung. Niemand beschwert sich darüber. Nur
die Journalistin blickt uns stumm, aber mit einem missbilligendem
Blick hinterher. Dabei bin ich mir in diesem Moment nicht wirklich
sicher ob ich mir eine´Sonderbehandlung von Iranischen Grenzbeamten
angesichts meines Gepäcks wirklich wünsche. Meine Sorge ist jedoch
unbegründet. Nach kurzer Kontrolle unserer Visa erhalten wir den
Stempel und werden weiter gewunken. Unser Gepäck wird weder geröntgt
noch einer genaueren Kontrolle unterzogen. Stattdessen freundlicher
Smalltalk mit einigen Grenzbeamten die uns allesamt einen schönen
Aufenthalt im Iran wünschen.
Als wir das Grenzgelände durch ein
eisernes Tor verlassen empfängt uns eine entgegen stürmende Horde
aus Taxifahrern und Geldwechslern. Einer davon kann seine Freude über
die Tatsache dass ich deutscher Staatsbürger bin nicht zurückhalten
und umarmt mich überschwänglich. Was für ein Start in ein neues
Land, es konnte aber auch nur besser werden.
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